Macabros 071: Spinnenritter greifen an
dem Boden gewachsen der gleiche, fremde, blonde
Mann neben ihr, hielt sie am Arm, zog sie langsam herum und ehe sie
erneut aufschreien konnte, preßte er sanft, aber bestimmt seine
Hand auf ihren Mund und erstickte ihren Schrei.
»Warum schreien Sie?« fragte er freundlich. »Was
immer Sie gesehen haben mögen, mag für Sie genauso
rätselhaft sein wie für mich, der ich ohne mein Zutun in
dieses Abenteuer geraten bin. Vielleicht hilft es Ihnen, wenn ich
Ihnen – soweit ich es selbst verstehe – erkläre, was
sich hier anbahnt und was jener Mister Brownen, der hier logiert,
offensichtlich im Sinn führt. Nur die volle Wahrheit – so
phantastisch sie auch klingen mag – kann Aufklärung geben.
Ich habe bis vor wenigen Sekunden selbst nicht gewußt,
daß ich praktisch in einer Dachkammer des ›Cordoba‹
gefangengehalten wurde. Auf eine merkwürdige Art! Bitte kommen
Sie! Überzeugen Sie sich selbst!«
Eigenartigerweise ging sie mit, ohne Widerstand entgegenzusetzen.
Da die Tür verschlossen war, vor der sie ankamen, und auch sie
keinen Schlüssel hatte, nahm Macabros, den Hellmark geschickt
hatte, sie kurzerhand auf telekinetischem Weg mit durch die Wand.
Juanita Ramon materialisierte an Macabros’ Hand in dem
schummrigen Raum, wo die letzten Fetzen des seltsamen Netzes an der
Wand hingen…
*
Aus purer Absicht hatte sie alle anderen Besucher des Zirkus gehen
lassen, ehe sie das Zelt verließ, das, noch während die
letzten Leute den Ausgang verließen, bereits abgebaut
wurde.
Das fahrende Volk des Direktors Koczan hatte es sehr eilig.
Doch all dem maß Camilla Davies keine besondere Bedeutung
zu.
Es irritierte und beunruhigte sie jedoch, daß Alan Kennan
nirgends auftauchte…
Camilla wollte kein Mißtrauen wecken und verließ den
Zirkusplatz, blieb abseits an den dunklen Häusern stehen und
beobachtete von weitem die Arbeit der Zirkusleute, die zum Aufbruch
rüsteten.
Eine Stunde stand sie da, ohne daß Alan Kennan sich
bemerkbar gemacht hätte, oder daß sie eine besondere
Gefahr gespürt hätte, wie vorhin.
Das Medium wußte, daß heute abend ein Verbrechen,
irgend etwas Außergewöhnliches außerhalb des Zirkus
passiert war, ohne dies jedoch in Worte kleiden zu können.
Und nun, wo es ebenfalls nötig gewesen wäre,
Eindrücke zu empfangen, ließ sie ihre Fähigkeit im
Stich.
Das Zelt war schnell abgeschlagen und alle Bauteile in den
entsprechenden Wagen verstaut.
Auf dem Platz standen eine Zeitlang noch einige Männer
beisammen, und von weitem sah Camilla das Glimmen der Zigaretten.
Alan mußte etwas zugestoßen sein, sonst hätte er
bestimmt Kontakt zu ihr aufgenommen.
Neugierig und von Sorge erfüllt schlich Camilla Davies wieder
in die Nähe der Wohnwagen.
Sie beobachtete die Menschen, inspizierte die Umgebung und
lauschte auf ihre innere Stimme, auf die sie sich manchmal so
intensiv und manchmal auch gar nicht verlassen konnte.
Das Medium ahnte nicht, daß sie aus dem dunklen Wohnwagen
der ägyptischen Gedankenleserin Nomera beobachtet wurde.
In Nomeras Wagen hielt sich die Frau des Direktors, Esmeralda
Koczan auf, und die Ägypterin sagte: »Da ist jemand,
Esmeralda. Ich empfange die Einflüsse einer Frau, die sich in
Gedanken mit einem Mann befaßt, der hier herumschnüffelt.
Wir sollten auf der Hut sein! Noch sind wir nicht an unserem Ziel,
und es kann einiges geschehen, noch bevor wir in Cadaqúesa
unseren Meister treffen…«
»Ich kümmere mich um deine Wahrnehmungen, Nomera«,
erwiderte Esmeralda Koczan. »Wir werden gleich mehr
wissen.«
Sie verließ den Wagen, in dem die Ägypterin das Licht
löschte. Die vollbusige Frau des Direktors näherte sich der
Gruppe der Männer, die das Zelt abgeschlagen hatten und nun bei
einer Runde Bier und Zigaretten zusammensaßen, wisperte ihnen
etwas zu und ging dann weiter.
Camilla Davies ahnte nicht, daß das Unheil sich über
ihrem Köpf zusammenbraute.
Fünf Minuten später tauchten plötzlich hinter ihr
zwei Zirkusleute auf, packten sie mit harter Hand und fragten sie,
was sie hier zu tun hätte.
Da ging die Tür zu Nomeras Wohnwagen auf, die Ägypterin
stand triumphierend in dem beleuchteten Rechteck des Eingangs und
blickte über den freienPlatz. »Ich glaube, ich kann es euch
sagen. Ich bin zwar etwas müde, habe aber in diesem Augenblick
Eindrücke aus dem Wagen Lanzinskis empfangen. Dort hält
sich ein Mann auf, von dem er und Tschakko nichts wissen… Der
Gedanke dieser Frau und des Mannes stimmen überein. Sie
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