Macabros 072: Nh'or Thruus Unheil-Schläfer
ihrer Angst schlugen die Menschen
aufeinander ein, stießen brutal die Schwächeren beiseite
und trampelten nieder, was sich ihnen in den Weg stellte.
Bechler erhielt einen Schlag gegen den Hals, daß ihm
sekundenlang die Luft weg blieb. Halb betäubt taumelte er gegen
ein Schaufenster.
Schreiend fluteten die panikerfüllten Menschen an ihm
vorbei.
Bechler sah hinüber zu der Schlange, deren Leib so dick wie
ein kräftiger Oberschenkel war.
Sie öffnete das Maul. Eine gespaltene Zunge kam zum Vorschein
und zischelte tastend in alle Richtungen.
Bechler schluckte. Unerklärliche Angst packte ihn. Von dem
Reptil schien eine bösartige Aura auszugehen, die die Gedanken
verwirrte.
Plötzlich krümmte sich die Schlange zusammen und
schnellte mehrere Meter in die Höhe. Sie landete auf dem Dach
einer schweren Limousine.
Bechler ballte die Fäuste.
Das Reptil hatte den Wagen wie eine leere Blechdose zerbeult. Ein
ähnliches Schicksal konnte ihn treffen.
Von fern drang die Sirene eines Martinshorns näher, andere
folgten.
Die Schlange machte den nächsten Sprung, erreichte die
gegenüberliegende Straßenseite und streifte mit ihrem
Schwanz einen hölzernen Kiosk. Wie Papier zerriß die
Vorderfront. Zeitungen, Bücher und bunte Hefte wirbelten durch
die Luft.
Bechler erhaschte einen Blick auf eine ältliche Frau, die in
einem Winkel des Kiosk Schutz suchte vor dem mörderischen
Geschöpf, dann schob sich der grüne Riesenleib vor.
Als die Schlange wieder davon schnellte, war von der Frau nichts
mehr zu sehen.
Und auch das Reptil war verschwunden. Es schien, als ob es sich in
Luft aufgelöst hatte.
Bechlers Knie wurden weich. Er stolperte und bewahrte sich nur mit
Mühe vor einem Sturz.
Alles, was sich in den letzten Minuten ereignet hatte, war
völlig unmöglich! Mit Grauen erinnerte sich der Dicke an
die Explosion des Volkswagens. Was für eine Kraft mochte das
sein, die so etwas zuwege brachte?
Er fühlte eine stützende Hand und blickte in das
verwirrte Gesicht eines uniformierten Polizisten. »Sie sind ja
verletzt! Kommen Sie! Ich bringe Sie zu einem Krankenwagen.«
Bechler nickte schwach. »Die Schlange!« stieß er
heiser hervor. »Sie müssen die Schlange suchen.«
Der Polizist starrte ihn merkwürdig an. »Eine Schlange?
Was meinen Sie denn damit?«
Es sprudelte nur so über Bechlers Lippen. »Sie war da!
Hunderte von Menschen haben sie gesehen! Und ich sage Ihnen eines:
Wenn der Teufel selbst erschienen wäre, er hätte kein
schlimmeres Unheil anrichten können.«
Der Polizist hustete und betrachtete schaudernd die Verkeilten
Autos, die bewegungslos liegenden Opfer der Massenflucht, die
zerbrochenen Schaufenster, die Trümmer des Kiosk. Achselzuckend
führte er den dicken Mann zu einem Krankenwagen.
*
»Eine Schlange?« echote Frank Morell verblüfft und
starrte den Polizisten zweifelnd an.
Der Uniformierte grinste und wischte sich den Schweiß von
der Stirn. »Ein paar Dutzend Leute wollen ein grünes Tier,
eine Art Riesenschlange, gesehen haben. Aber wenn Sie sich die
Kreuzung vor dem Hauptbahnhof anschauen, dann werden Sie auch an
einen Panzer glauben. Bisher soll es fünf Tote, Schwer- und
Leichtverletzte gegeben haben!«
Morell trommelte nachdenklich mit den Fingern auf das Lenkrad
seines beigen BMW 520. Der Verkehr staute sich in der Straße,
und vermutlich würde es noch einige Zeit dauern, ehe die Polizei
die Hindernisse beseitigt hatte.
Eine Schlange? »Wo befindet sich das Reptil denn jetzt?«
erkundigte Morell sich. Er spürte instinktiv, daß er hier
einen erneuten Hinweis auf das Wirken der dämonischen
Kräfte vor sich hatte. Seit er von seiner Identität als
Dykte erfahren hatte und neben seiner bürgerlichen Existenz als
Frank Morell das Leben Mirakels führte, stieß er
ständig tiefer in ein unsichtbares Wespennetz.
Schon oft hatten seine dämonischen Widersacher versucht, ihn
zu beseitigen. Jeder unerklärliche Vorgang – und vor allem
jedes Ereignis, das sich in Frankfurt abspielte – rief
automatisch seine Neugier wach.
»Ich meine«, fuhr der kräftige, braungebrannte Mann
fort und lächelte gewinnend, »wenn es sich tatsächlich
um ein Untier handelt, kann es sich schlecht in Luft auflösen,
oder?«
Das Grinsen des Polizisten wurde noch um eine Spur
ausgeprägter. »Ihr Wort in Gottes Ohr«, brummte er.
»Aber von einer Schlange ist keine Spur zu entdecken. Meine
Kollegen haben die Kreuzung und den Bahnhof kontrolliert, aber das
Vieh ist wie vom Erdboden
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