Macabros 079: Die Nachtseelen von Zoor
wurde der Wagen gestartet.
Befand sich nur der Fahrer im Führerhaus oder auch die
ältliche Hausdame, die von dem ganzen Komplott etwas
wußte?
Außer diesen beiden war keine weitere Person, kein
Erpresser, Dieb oder Mörder in Erscheinung getreten, die Jacques
Belmond auf dem Gut vermutete.
Waren die Haushälterin und der Gärtner verantwortlich
für all das, was hier geschah? Alles sprach dafür. Dann war
es beinahe wie im Roman.
Auf dem holprigen Weg ging es bergab. Das schwere, eiserne
Gittertor des Anwesens knarrte in den Angeln, als es geöffnet
wurde.
Leclerque paßte höllisch auf, was weiter geschah. Nur
die Geräusche, die von außen zu ihm hereindrangen,
informierten ihn über das Geschehen.
Nach einigen Metern Weiterfahrt blieb der Wagen erneut stehen.
Gedämpft drang das Geräusch der knarrenden Scharniere
abermals an Leclerques Ohren.
War es der Fahrer oder die Hausdame, die jetzt abschloß?
Eine Minute später startete der Lkw. Die Richtung war
für den Detektiv unbekannt.
Doch über kurz oder lang würde er wissen, wo das Ziel
war.
Langsam richtete Leclerque sich auf.
Muffige, dumpfe Luft umgab ihn. Er schwitzte, und die Kleidung
klebte an seinem Körper wie eine zweite Haut.
Der Detektiv atmete tief durch, zog dann den Bund mit den
Autoschlüsseln, aus seiner Hosentasche und knipste die
Miniaturlampe an, die daran hing.
Der schmale Lichtstrahl wanderte zitternd über den ersten
Sarg.
Erst jetzt in der relativen Sicherheit des Laderaumes kam
Leclerque dazu, sich umfassender mit den makabren Objekten zu
befassen.
Jetzt fiel ihm auf, daß die Särge anders waren als
jene, die normalerweise benutzt wurden.
Die Deckel waren nicht lose aufgelegt oder vernagelt – sie
waren mit Scharnieren versehen, so daß man sie aufklappen
konnte.
Warum wurden diese Särge überhaupt benutzt, fragte er
sich unwillkürlich.
Wenn es den Verschwörern darauf angekommen war, Gaston
Belmond und seine Familie auszulöschen und die Leichen
verschwinden zu lassen, bestand doch überhaupt keine
Notwendigkeit, erst noch drei Särge auf das Gut liefern zu
lassen! Auffälliger ging’s nicht mehr.
Je mehr Leclerque darüber nachdachte, desto unsinniger kam
ihm alles vor, und er glaubte zu träumen.
Er nahm sich den ersten Sarg, hinter dem er gelegen hatte,
vor.
Flüchtig legte er seine rechte Hand unter den ein wenig
überstehenden Deckel und konnte ihn ohne größere
Mühe auf die Seite klappen.
Leclerque richtete den Strahl aus der winzigen Taschenlampe, die
er sonst als Schlüssellochleuchte benutzte, zum Kopfende des
Behältnisses, dessen Innenwände aus einfachem, gehobeltem
Holz bestanden, und nicht ausgekleidet waren.
Leclerque zog geräuschvoll die Luft ein, als er sah, was der
Lichtschein aus der Finsternis riß.
Ein pechschwarzer, haarloser Schädel, in dem zwei weiße
Augen leuchteten. Da waren nur die Augäpfel zu sehen, hell und
klar – und keine Pupille!
Was immer da im Sarg lag – es war kein Mensch! Es war ein
Gespenst, schwarz wie die Nacht, und – es bewegte sich!
Blitzschnell und lautlos richtete es sich auf, stieg in die
Höhe, und zwei dunkle Arme reckten sich nach Leclerque!
Der Detektiv reagierte geistesgegenwärtig und überlegen,
als absolviere er hier eine Trainingsstunde und riskiere
überhaupt nichts.
Seine Rechte ging automatisch hoch, wie von unsichtbaren
Fäden emporgerissen.
Leclerque war darauf gefaßt, mit voller Wucht gegen die
Unterarme dessen zu schlagen, der da aus dem Sarg stieg.
Er irrte.
Durch den eigenen Schwung geriet er in taumelnde Bewegung. Da gab
es keinen Widerstand!
Die schwarzen Arme waren wie Nebel, die seine Hand passierten. Die
Gestalt behielt ihre Konturen, und doch war sie nicht Materie!
Leclerque hatte keine Gelegenheit, sich um das grauenvolle
Phänomen Gedanken zu machen. Er wurde ganz gefordert.
Das schwarze Gespenst aus dem Sarg warf sich ihm entgegen.
Instinktiv nutzte Leclerque die Taumelbewegung, ging zu Boden und
wich dem Angriff aus.
Die Schattengestalt streifte seinen Körper.
Der Privatdetektiv krachte mit voller Wucht gegen die Seitenwand
des Laderaumes. Der dumpfe, hohle Klang durfte dem Fahrer wohl kaum
entgehen.
Spätestens jetzt mußte er vorn merken, daß sich
hier hinten etwas abspielte.
Doch die Fahrt wurde weder langsamer, noch blieb das Auto
stehen.
Gegen die kühle, geriffelte Wand gelehnt, riß Marcel
Leclerque seine Waffe aus der Halfter.
»Zurück!« preßte er hervor und zog den Hahn
durch.
Das schwarze
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