Macabros 084: Horron - Kontinent des Vergessenen
dem Wagen handelte es sich um Sabrina Wells’
Cabriolet!
Sie kam noch mal zurück? Aus welchem Grund?
Zu der allgemeinen Erregung und Unruhe trat ein Gefühl des
Verlangens nach dieser Frau, die er seit Jahren aus der Ferne
verehrte. Er fühlte sich freier, ungehemmter.
Pallerts Augen begannen zu leuchten, als er sah, daß Sabrina
in die Tiefgarage fuhr.
Offenbar hatte sie etwas vergessen und kam deshalb zurück.
Als Sekretärin in der Chefetage hatte sie jederzeit Zugang zu
den Büroräumen und war im Besitz der entsprechenden
Schlüssel.
Jonathan Pallert gab wie ein Tier ein zufriedenes Knurren von
sich. Er wartete einen Moment ab, lief dann zur Tür und
spähte auf den Korridor. Vom Wächter war weit und breit
nichts zu sehen und zu hören. Er hielt sich in einer anderen
Etage oder weit abseits von den Zeichensälen auf…
Pallert lief bis zum Aufzug. Er mußte nicht lange warten.
Die Anzeige für die Tiefgarage leuchtete auf.
Leise surrend bewegte sich der Lift in die Tiefe.
Pallert blieb im Korridor stehen und verfolgte weiter den Lauf der
Dinge.
Er hatte nicht mehr das Verlangen, seine Arbeit zügig
fortzuführen. Sein Pflichtgefühl war völlig
bedeutungslos geworden. Die Unruhe, die ihn erfüllte, war von
einer unbeschreiblichen Kraft.
Er fühlte sich nicht mehr wie Jonathan Pallert, er war ein
anderer… und rieb sich zufrieden die Hände, als er sah,
daß der Aufzug in der Etage über ihm hielt. Es kam
genauso, wie er es vermutet hatte. Er zögerte keine Sekunde
länger.
Rasch eilte Pallert über die Treppe ein Stockwerk höher
und sah, wie Sabrina Wells die Schlüssel zu ihrem Büro aus
der Handtasche nahm und die Tür öffnete.
»Dann habe ich also doch richtig gesehen«, sagte
Jonathan Pallert mit leichter Stimme, schlenderte auf die junge
Sekretärin zu und lächelte sie an.
Sabrina fuhr zusammen.
»Puuh«, sagte sie, »jetzt haben Sie mich aber ganz
schön erschreckt, Jonathan.«
»Tut mir leid! Das wollte ich nicht. Im ersten Moment habe
ich gedacht, ich sehe nicht recht, als ich entdeckte, daß der
Lift hier oben hält.«
»Phil ist im Haus unterwegs. Nur er konnte es sein«,
reagierte sie sofort.
»Eben nicht«, führte Pallert sein Spiel fort.
»Er hat vor wenigen Minuten noch mit mir gesprochen und ist auf
der anderen Seite des Gebäudes. Es hat mich doch interessiert,
wer zu vorgerückter Stunde noch den Mut hat, in ein
menschenleeres Hochhaus zurückzukommen. Ich wußte gar
nicht, daß Sie solche Extratouren unternehmen,
Sabrina…«
Sie seufzte und stieß die Tür auf. »Dummheit,
Jonathan. Das kann nur passieren, wenn es hektisch wird. Ich habe an
die Post noch gedacht – aber nicht mehr an meine
Hausschlüssel. In Alltagskleidung kann man zwar noch chinesisch
essen gehen, aber in diesem Aufzug kommen wir in die Disko nicht
’rein. Da muß man sich schon ganz ausgeflippt
zurechtmachen. Als ich vor der Haustür stand und in meine
Wohnung wollte, merkte ich die Bescherung. Bleibt mir also nichts
anderes übrig, als zu nachtschlafener Zeit der werten Firma noch
mal einen Besuch abzustatten…«
Sie eilte in das Büro, ohne die Lichter einzuschalten.
Der Widerschein von der Korridorbeleuchtung reichte völlig,
um sich in vertrauter Umgebung zurecht zu finden.
Sabrinas Schreibtisch war aufgeräumt. Ein bunter Strauß
stand neben dem Telefon. Die mahagoniverkleidete Tür zum Zimmer
des Chefs lag genau in Blickrichtung.
Pallert drückte die Bürotür hinter sich ins
Schloß.
»Hey?!« rief Sabrina Wells verwundert. »Was soll
denn das, Jonathan? Ich kann ja nichts mehr sehen…«
Überrascht hielt sie in der Bewegung inne und wandte den
Kopf.
Mit drei schnellen Schritten stand Jonathan Pallert vor ihr und
zog sie langsam zu sich herum.
»Es gibt Situationen, da ist es ganz ohne Licht am
schönsten, finden Sie nicht auch, Sabrina?«
»Jonathan…«
»Ich bin schon lange verrückt nach Ihnen, Sabrina! Das
wissen Sie auch. Und heute abend – das ist genau die richtige
Gelegenheit, wo wir uns näherkommen können…«
Sein Griff wurde fester.
»Au! Sie tun mir weh… Jonathan… lassen Sie mich
sofort los! Was ist denn mit Ihnen?« stieß sie aufgebracht
hervor. »Sie sind betrunken – kommen Sie, ich bring’
Sie nach Hause…«
»Das ist sehr lieb von Ihnen, Sabrina. Aber es besteht
überhaupt keine Notwendigkeit dazu, ich fühle mich sehr
wohl… es geht mir ausgezeichnet…«
Er riß sie an sich.
»Ich werde schreien!«
»Niemand kann Sie hier
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