Macabros 096: In der Arena der Drachentöter
Vincent Bowles einstürmten, waren
so vielgestaltig, daß er sie unmöglich alle auf einmal
verdauen konnte.
Die Stadt war gewaltig und fremdartig.
Sie bestand aus großen und kleinen Türmen,
dazwischengestreut lagen riesige, hochgemauerte Schächte, die
sich nach oben verjüngten.
»Das sind die Arenen der Drachentöter«, erhielt er
augenblicklich Antwort auf seine stumme Frage. »Die
größte steht genau im Zentrum von Vaii-peen. Dort darf nur
der Kampf des Königs der Drachentöter mit dem König
der Drachen stattfinden…«
Auf dem Weg in die Stadt, die leer und verlassen vor ihnen lag,
erklärte Chomool, welche Bewandtnis es mit den Drachen auf der
Welt hatte, in der sie sich befanden.
Vor undenklichen Zeiten gab es zwei Spezies, die auf dieser Welt
lebten. Beide strebten nach Vorherrschaft. Es waren die humanoiden
Bewohner und die Drachen, die wie die Humanoiden eine Intelligenz
entwickelt hatten. Zwischen beiden Rassen herrschte von Anbeginn der
Zeiten ein permanenter Kriegszustand.
»Die Drachen leben hinter den Feuerbergen«,
erklärte Chomool auf gedanklichem Weg. »Dort ist ihr Reich
– hier beginnt das unsrige. In blutigen Schlachten haben sich
beide Rassen jahrtausendelang zerfleischt, dezimiert. Bis es zum
Kampf der Drachentöter und Drachenkönige kam. Es wurde das
Okmel von Lavonn befragt. Es bestimmte, daß die Kriege ein Ende
haben müßten, daß aber jede Rasse das Recht besitze,
nach der alleinigen Vorherrschaft auf dieser Welt zu streben.
Schließlich waren beide mit Kraft und Intelligenz ausgestattet,
waren beide zur gleichen Zeit in der Vielfalt des Lebens in
Erscheinung getreten. Der Klügere würde sich durchsetzen,
wenn es schon nicht möglich war, daß beide Rassen
einvernehmlich miteinander leben könnten – so das Okmel von
Lavonn. Seither findet in bestimmtem Jahresrhythmus der Kampf in der
Zentralarena statt.«
In Bowles Bewußtsein entstand der Zeitbegriff von fünf
bis sieben Jahren. Dies war die Zeitspanne, in der sich früher
die beiden so unterschiedlich aussehenden, aber keineswegs in ihrem
Fühlen und Denken sich unterscheidenden Rassen
regelmäßig bekriegt’ hatten.
Der Kampf war unentschieden. Und so war die Welt in zwei
Hälften geteilt.
Die Welt – sie hieß Xanoeen – war die der Menschen
und Drachen.
Soviel verstand Bowles schon.
Ihm war auch klar geworden, daß der immer noch bestehende
Haß und die Feindschaft zwischen den beiden Rassen ein Ventil
fand in den Gladiatorenkämpfen, die anstelle des Krieges
eingeführt worden waren. Wer unterlag, der verlor einen seiner
Könige. Und der Sieger gewann ein Stück Land und Macht.
Als sie an den ersten Türmen vorbeikamen, versuchte Vincent
Bowles zu erkennen, was sich wohl hinter den geschlossenen Fenstern
verbarg.
Er konnte es nicht feststellen, denn die Fensterflächen
spiegelten opalfarben. Offensichtlich konnte man nur von innen nach
außen sehen.
»Warum zeigt sich niemand? Wo sind die Bewohner dieser Stadt,
Chomool?«
»Ich sagte es dir bereits. Sie sind gefangen in den
süßen Träumen. Erst in der Nacht erwachen sie, und
dann tun sie das, was die Eindringlinge in den Tempeln von ihnen
verlangen und erwarten. Sie beten die Götzen und die Schergen
der Finsternis an. Die Gefahren, die daraus erwachsen, werden ihnen
nicht klar. Das Volk wird geschwächt – die Drachen
können erstarken und uns im nächsten entscheidenden Kampf
schlagen. Damit wird die Chance verspielt, Xanoeen jemals ganz in
unseren Besitz zu bringen…«
Bowles wollte darauf etwas sagen. Er fand es nicht in Ordnung,
daß Chomool Machtanspruch erhob, den er der Drachenrasse, die
lediglich kein humanoides Aussehen hatte, absprach. Die Drachen
konnten ebenso denken wie er. Für sie waren die Humanoiden
Feinde, die die ganze Welt namens Xanoeen beherrschen
wollten…
Doch er verzichtete darauf, sich an diesem Ort und zu diesem
Zeitpunkt auf eine Diskussion einzulassen.
In stillem Staunen ließ er die Fremdartigkeit, die
Atmosphäre und außergewöhnliche, fast
bedrückende Stille auf sich wirken.
Er wurde den Eindruck nicht los, daß der Tod hier Einzug
gehalten hatte, daß niemand mehr in den Häusern lebte.
Die Straßen waren dick mit Staub bedeckt, und mit jedem
Schritt, den er ging, wirbelte er den mehlfeinen Belag auf, der seine
Augen tränen ließ und ihn zum Husten reizte.
Die Straßen und Plätze waren schachbrettartig angelegt.
Das Zentrum bildete die riesige Arena, in der nur die
auserwählten Könige als Drachentöter
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