Macabros 121: Höllenmarionetten
Inder seiner Begleiterin zu. »Wenn er sich
mit seinen beiden Freunden einen etwas makabren Scherz ausgedacht
hat, gibt’s Ärger.«
Rani redete absichtlich so laut, daß Jim ihn eben noch
hören konnte.
»Mit so etwas treib’ ich keine Scherze«,
verteidigte sich der Junge sofort, und Rani glaubte ihm. Jim war
schon lange genug auf der Insel und wußte sehr genau, worum es
Hellmark und seinen Freunden im Kampf gegen die schrecklichen Feinde
der Menschen ging.
Da kam es auf jede Beobachtung an.
Unzuverlässigkeiten und Blödeleien in dieser Hinsicht
konnten sie sich nicht erlauben.
Sie saßen alle in einem Boot und zogen am gleichen Strang.
Auf jeden von ihnen kam es an, gerade weil ihre Gruppe noch so klein
war.
»Soll ich mitkommen?« fragte Danielle de
Barteaulieé.
»Schau dir in Ruhe alles an«, schüttelte Mahay den
Kopf. »Ich warte dann draußen auf dich.«
Während er mit Jim an der Hand durch die halbdunklen
Bretterwege zum Ausgang eilte, der mit einem roten, beleuchteten
Pfeil kenntlich gemacht war, schlenderte Danielle an den einzelnen
Wachsfiguren entlang.
Sie streifte mit ihren Blicken nur flüchtig ein Paar, das
einen alten Mann und eine junge Frau zeigte. Ihr Interesse richtete
sich hauptsächlich auf Personen und Rassen, die vor langer Zeit
schon lebten. Aber das, was der Besitzer des Kabinetts hier zeigen
wollte, war sicher auch berechtigt.
Der alte Mann hatte seine Hand auf der Schulter einer
großen, schlanken Frau liegen, deren Haar halblang und aschgrau
war. Die Frau war zum Ausgehen angezogen und an ihrem Unterarm hing
eine kleine, leicht geöffnete Handtasche, so daß man einen
Blick hineinwerfen konnte.
Taschentuch, Lippenstift, Parfumfläschchen und ein
Personalausweis befanden sich darin.
Danielles Blick streifte beiläufig das braune, wettergegerbte
Gesicht des alten Mannes, dessen Haar schneeweiß war und dessen
Gesicht von einem ebenfalls schneeweißen, dichten Vollbart
gerahmt wurde.
Die Französin erlaubte sich einen Scherz, in dem sie in die
Handtasche griff und mit spitzen Fingern den Personalausweis
herauszog.
Er sah verdammt echt aus, gar nicht wie eine Attrappe.
Danielle de Barteaulieé klappte das Dokument
auseinander.
Auf der rechten Seite war ein abgestempeltes Paßfoto, das
genau die Frau zeigte, aus deren Handtasche sie den Personalausweis
genommen hatte.
Das Foto war einige Jahre älter. Die Frau selbst sah noch
etwas jünger aus und war laut Geburtsdatum neununddreißig.
Danielle hätte die Wachsfigur im Halblicht auch etwa auf dieses
Alter geschätzt.
Im Ausweis stand als Wohnort Utrecht, und der Name der Frau war
mit Susan Kelly angegeben, die die englische Staatsbürgerschaft
besaß.
*
Eine Frau von heute… Vielleicht wollte der Besitzer des
»Panoptikums der Zeiten«, ein gewisser Monsieur Horst
Halbach, eine ganz normale Durchschnittsperson zeigen. Eine modern
gekleidete Frau, die ihr Leben meisterte. Aber welche Bedeutung hatte
der alte Mann an ihrer Seite?
Vom Gesichtsschnitt und der Augenform her war eine gewisse
Ähnlichkeit der beiden Personen erkennbar.
Vielleicht handelte es sich um Großvater und
Enkeltochter…
Wie nahe Danielle de Barteaulieé der Wirklichkeit kam,
ahnte sie nicht.
Sie beschäftigte sich auch nicht weiter mit dem Paar und ging
in eine von bernsteinfarbenem Licht ausgeleuchtete Nische.
Dort war eine Gruppe Pygmäen vor einer Strohhütte
versammelt.
Danielle sah, daß der Vorhang vorm Eingang sich bewegte.
So weit hinten war es eigentlich nicht üblich, sich die
Ausstellung zu betrachten. Eine in Hüfthöhe gespannte dicke
Kordel zeigte die Grenze an, bis zu der man vorgehen durfte.
Wenn jeder den Vorplatz und die Hütte betrat, wurde einiges
ramponiert.
Die schnelle, schattenhafte Bewegung weckte sofort ihr Interesse,
und sie blieb länger außerhalb der Barriere stehen, als es
eigentlich in ihrem Sinn lag.
Die Person, die die Bewegung verursacht hatte, kam aus der
Strohhütte nicht mehr heraus.
Da stieg Danielle de Barteaulieé kurz entschlossen
über die primitive Absperrung, ging an der Pygmäen-Familie
vorbei und schlug das dunkle, schmutzige Tuch zurück, das den
Eingang zur Hütte verdeckte.
Im Innern war es stockfinster.
Danielle konnte nichts sehen, aber sie hörte etwas.
Ein Stöhnen…
»Hallo?« fragte sie flüsternd. »Ist da
jemand?«
Sie schlug den Vorhang ganz zur Seite, um das Streulicht ins
Innere der Hütte zu lassen.
Und dann sah sie den Mann, der beide Hände auf den
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