Macabros 121: Höllenmarionetten
sage«, keuchte Roger Hanton.
»Sie stecken dahinter.«
»Ich?« Halbach schnappte nach Luft.
»Sie haben etwas gemerkt… haben einen Detektiv oder
sonst eine Vertrauensperson aus Ihrem Bekanntenkreis beauftragt,
heute nacht hier Wache zu schieben… er hat mich
niedergestochen… dieses Schwein…«
Halbach schüttelte irritiert den Kopf. »Er weiß
nicht, was er sagt«, preßte er erregt hervor, als ihm die
ganze Tragweite des Gesprochenen bewußt wurde. »Er ist
verrückt. Das Kabinett ist verschlossen. Ich habe keinen
Wächter abgestellt… und…«
Da sah Halbach, wie Rani Mahay im Innern des Kabinetts
verschwand.
*
Der Inder richtete sich nach dem Licht der Lampe, die in einer
Mulde zwischen Trennwand und Dielenboden lag und einen
breitgefächerten Schein quer durch diesen Teil des Kabinetts
warf.
Zwei Wachsfiguren waren voll angestrahlt. Die Umrisse der
unmittelbar danebenstehenden waren im Streulicht erkennbar.
Bizarr und unheimlich wirkte das Kabinett mit den
Menschennachbildungen schon in der schummrigen und farbigen
Beleuchtung, wenn es für den Publikumsverkehr geöffnet war.
In der jetzigen Situation aber vermittelte es geradezu einen
gespenstischen Eindruck.
Der Marquis in seiner dunkelblauen, mit Gold- und Silberfäden
durchwirkten Brokatjacke, stand direkt vor ihm.
Rani Mahay inspizierte ihn eingehend.
Er hob die von Hanton verlorene Taschenlampe auf und leuchtete die
Wachsfigur an.
Die Lichtausbeute verstärkte sich noch, als Horst Halbach
eintrat Hellmark war auf dem Weg in den Wohnwagen, um die Wunden des
Einbrechers zu versorgen. Halbachs Frau war ihm dabei behilflich.
»Die Darstellungen sind äußerst lebensecht«,
bemerkte Rani Mahay. »Der Gesichtsausdruck, der Glanz in den
Augen…«
»Es sind hervorragende Arbeiten«, ließ Halbach
sich vernehmen. »Nur mit lebensnahen Darstellungen können
wir unsere Besucher schließlich überzeugen…«
An den im ersten Grauen herausgestoßenen Worten des
Verletzten kam Mahay nicht vorbei.
War Hanton durch ein anderes Ereignis so in Panik versetzt worden,
daß er in seiner Erregung und Furcht Dinge zu sehen glaubte,
die in Wirklichkeit gar nicht vorhanden waren?
Hanton hatte – noch unter dem Eindruck des Schocks stehen
– zugegeben, daß er insgesamt vier Figuren aus dem
Halbach-Kabinett entwenden wollte, um sie einem interessierten
Antiquitäten-Händler zu beschaffen.
Zwei Figuren hätte er bereits aus der Bude herausgeschafft,
zu der dritten aber sei er nicht mehr gekommen, weil der Angriff
erfolgte.
Der wächserne Marquis aber hielt weder einen Dolch in der
Hand, noch waren seine Hände oder seine Kleidung blutbesudelt.
Bei dem Kampf mit dem Dieb hätten sich zumindest auch andere
kleine Lädierungen des Marquis nicht ausschließen
lassen.
Gab es – noch einen anderen?
Halbach verneinte dies, und auch Rani Mahay konnte sich nicht an
ein Gegenstück eines Marquis erinnern, der ›einen
Entflohenen aus der Zeit der französischen Revolution‹
darstellte, wie der Besitzer erklärte.
Die beiden Männer durchstreiften das Panoptikum auf der Suche
nach einem möglicherweise als Marquis verkleideten Gegenspieler
Hantons. Aber den gab es nicht. Der Haupteingang war verschlossen,
und außer dem Zugang, den Hanton geschaffen hatte, existierte
kein weiterer.
Vergebens blieb auch die Suche nach dem Dolch, der eindeutig
für Hantons Wunden verantwortlich war.
Nicht nur im Schein der Taschenlampen suchten sie danach. Halbach
schaltete sämtliche Scheinwerfer an, und die Kabinen, Nischen
und Pfade, die die Wachspuppen säumten, wurden taghell
ausgeleuchtet.
Halbach stellte das Fehlen von zwei Puppen fest und
bestätigte lediglich in diesem einen Punkt die Ausführungen
des Eindringlings.
Mahay wurde während seines Aufenthaltes in dem Kabinett
lebhaft an die Aussagen von Jim dem Guuf erinnert.
Jim hatte eine Hand gesehen, die einen Dolch hielt, wie er von
Hanton beschrieben worden war. Die Hand des Mörders steckte in
einem Hemd, wie es der Marquis trug.
Je mehr Mahay darüber nachdachte, desto rätselhafter und
mysteriöser kam ihm alles vor.
Dazu paßte auch das Verschwinden seiner Danielle, die bisher
nicht wieder aufgetaucht war. Das Kabinett war ihr offenbar auf eine
bisher ungeklärte Weise zum Schicksal geworden.
Es waren Kräfte aktiv, die ihnen noch unbekannt waren.
Zeigte sich hier in diesem Kabinett die Spitze eines Eisberges,
von dem sie noch nicht wußten, was er wirklich bedeutete? Kam
es von Fall zu Fall zu
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