Macabros 121: Höllenmarionetten
gibt.«
Hellmark hob kaum merklich die Augenbrauen und blickte Horst
Halbach aufmerksam an.
»Was ist es, Mister Halbach?«
»Geräusche… ich habe öfters nachts
Geräusche gehört und bin ins Kabinett gegangen. Manchmal
ist es mir auch so vorgekommen, als hätte eine der Wachsfiguren
sich bewegt oder ihren Standort gewechselt… Meiner Frau habe ich
diese Beobachtungen mitgeteilt, aber sie hielt mich für
überspannt… so habe ich schließlich weiterhin nichts
mehr in dieser Richtung verlauten lassen und stillschweigend die
Befürchtung genährt, daß nachts in dem Kabinett
wirklich Dinge vorgehen, die sich meinen Augen entziehen.«
»Haben Sie jemals versucht, eine Erklärung für die
rätselhaften Dinge zu finden?«
»Nur die eine, daß ich offenbar auf dem Weg bin,
verrückt zu werden.«
Seine Worte waren noch nicht verklungen, als etwas Unheimliches
geschah.
Ein zischendes Geräusch fuhr durch das Innere des
Kabinetts.
Es gab schnelle, kurze Schläge gegen die Budenwände, und
es knatterte im Zeltdach, als würden riesige Vögel von
innen dagegenfliegen.
Heulen und Pfeifen war zu hören, als würde sich in dem
Kabinett ein gewaltiger Orkan austoben.
Rani Mahay und Björn Hellmark spurteten los, noch ehe Horst
Halbach begriff, was da eigentlich geschah.
In dem Moment, als die beiden Freunde die Öffnung in der
Rückwand erreichten, fiel das aufgeblähte Zeltdach wieder
in sich zusammen, das Klopfen und Fauchen verebbte, und Totenstille
kehrte ein.
Horst Halbach war bleich, als er auf Mahays und Hellmarks
Höhe ankam.
»Was… war denn das?« fragte er.
»Das hat sich angehört, als wäre ein böser
Geist ausgefahren«, antwortete Björn Hellmark knapp, und er
sagte es genauso, wie er es empfand.
Der Schausteller, der über seinem Pyjama einen seidig
schimmernden Morgenmantel trug, faßte sich an der Gurgel.
»Ich habe Angst«, sagte er rauh. »Hier gehen Dinge
vor, die ich mit meinem Verstand nicht mehr erfasse.«
»Nichts geschieht ohne Grund«, erwiderte Hellmark.
»Vielleicht sitzt der Wurm wirklich in Ihrem Kabinett. Sie
sollten uns noch viel über die Herkunft des Kabinetts, über
die Herstellung der Wachsfiguren und über die Dargestellten
erzählen… Vielleicht liegt darin ein Geheimnis, eines, das
sich von Tag zu Tag mehr bemerkbar macht und zur tödlichen
Gefahr geworden ist… Rani wird sich mit Ihnen unterhalten,
Mister Halbach. Ich habe Ihnen versprochen, die beiden entwendeten
Wachsfiguren zurückzubringen. Und das will ich jetzt
tun…«
*
Vier Motorradfahrer brausten durch das nächtliche San
Francisco.
Zwei fuhren in den östlichen Stadtteil und folgten nicht den
beiden Kumpanen, die bereits im Besitz der Wachsfiguren waren.
Zwischen den Motorrädern, die sich auf dem Weg zum Haus des
Antiquitäten-Händlers befanden, betrug der Abstand etwa
eine Meile.
Der erste Motorradfahrer hatte wie vereinbart wenig befahrene,
stille Seitenstraßen benutzt.
Auf seinem Rücksitz hockte zusammengekauert und
festgeschnallt die Nachbildung eines Mönchs, dessen braune Kutte
im Fahrtwind flatterte.
Passanten, die um diese Zeit noch unterwegs waren, achteten
entweder nicht auf das ungewöhnliche Paar auf dem Motorrad, oder
sie merkten den ungewöhnlichen Sozius erst, als die Maschine
schon vorbei war.
Keiner dachte sich etwas Besonderes dabei, schon gar nicht daran,
daß es sich bei dem Sozius um eine Wachsfigur und nicht um
einen Menschen handeln könnte.
In der Dunkelheit und bei der Schnelligkeit des Fahrenden war
alles bereits vorbei, ehe man genauer hinsah.
Aber – war der Mönch wirklich eine Wachspuppe?
Der Kradlenker, der als erster die Fell Street entlangkam, hatte
plötzlich das Gefühl, um die Hüften gepackt zu
werden.
Der Mann zuckte zusammen.
Da war es wieder, diesmal so stark, daß ihm die Luft
wegblieb. Der Griff durch die Lederjacke fühlte sich so massiv
an, daß er es nicht glauben wollte.
»Heh?!«
Der Fahrer warf den Kopf herum und nahm automatisch das Gas weg,
um die Geschwindigkeit zu verringern.
Er erhielt im gleichen Augenblick einen Schlag in die Rippen, der
ihn die Beherrschung über seine Maschine verlieren
ließ.
Das Motorrad geriet ins Schlingern. Der Fahrer trat noch heftig
auf die Bremse und verschlimmerte dadurch seine Situation noch
mehr.
Die Maschine jagte mit quietschenden Reifen über die
Fahrbahn. Geistesgegenwärtig gelang es dem geschockten Fahrer
noch, das Krad so herumzuziehen, daß er einen
Frontalzusammenstoß mit der
Weitere Kostenlose Bücher