Macabros 121: Höllenmarionetten
Hauswand vermeiden konnte.
In irrsinnigem Tempo jagte er in eine Seitenstraße. Das
schwere Krad rutschte ihm weg, knallte an die Bordsteinkante und
überschlug sich.
Der Fahrer und der Mönch wurden durch die Luft
geschleudert.
Der Kradfahrer flog gegen eine Hauswand und blieb reglos
liegen.
Die lebendig gewordene ›Wachspuppe‹ verhielt sich ganz
anders. Sie schwebte durch die Luft wie in Zeitlupe und schien die
Wucht und die Eigengesetzlichkeit der Bewegung völlig
neutralisiert zu haben.
Rund fünfzig Meter währte der unnatürliche Flug,
dann kam der Mönch langsam wieder herunter.
Seine Beine streckten sich, auch seine Arme kamen nach vorn, so
daß es aussah, als würde er sie spreizen, um den
Luftwiderstand auszunutzen.
Federnd und ohne besondere Härte kam die »Figur«
auf. Wie abgezirkelt ereignete sich dies genau im Schatten zwischen
zwei Häusern, die unbeleuchtet am Ende der Straße
standen.
Der Mönch warf nur einen kurzen, flüchtigen Blick auf
die Stelle, wo der provozierte Unfall sich ereignet hatte.
Das Motorrad lag quer über Straße und Bürgersteig.
Die Räder der Maschine, ohne Bodenberührung, drehten sich
noch rasend schnell. Öl und Benzin liefen aus, auf dem Asphalt
lagen zahllose Glassplitter.
Der Kradlenker rührte sich noch immer nicht, und lag in
verkrümmter Haltung vor der Hauswand.
Die ersten Bewohner, die durch den Krach aus den Betten gelockt
worden waren, zeigten sich an den Fenstern.
Die Menschen sahen, was geschehen war.
Außer der Unglücksmaschine war weit und breit kein
anderes Fahrzeug zu sehen. Offenbar war ein zweiter auch an dem
Unfall – wie die Polizei wenig später aufnahm – nicht
beteiligt.
Alkohol und überhöhte Geschwindigkeit schienen bei dem
Geschehen eine Rolle gespielt zu haben.
Fast zur gleichen Zeit ereignete sich wenige Straßenecken
entfernt ein ähnlicher Vorfall.
Wieder war nur ein Motorradfahrer daran beteiligt.
Der Unglücksfall passierte nur wenige hundert Meter von der
Toreinfahrt des Antiquitätengeschäftes in der Webster
Street entfernt.
Der hockende thailändische Mönch auf dem Sozius bewegte
sich plötzlich.
Wie durch Zauberei fielen von seinen Armen und Beinen die
Ledergurte, die ihm einen festen Halt auf dem Motorradsitz
gewährleisteten.
Sie flogen im Fahrtwind davon. Das flammend rote Gewand der
»Wachsfigur« bewegte sich plötzlich gegen den Wind.
Mit blitzschneller Handbewegung stülpte der Mitfahrer dem
Kradlenker den roten Stoff über den Helm.
Der Mann fuhr herum und verriß das Steuer, das Unheil nahm
seinen Lauf.
Die schwere Maschine schlitterte über die Fahrbahn und
krachte mit hohem Tempo gegen einen Laternenpfahl. Das Vorderrad
wurde förmlich auseinandergerissen, und die Wucht des Aufpralls
spaltete selbst Lenker und Tank.
Es gab einen Knall, als würde ein Düsenjäger die
Schallmauer durchbrechen. Die Menschen in der Straße, die im
ersten Schlaf lagen, schreckten hoch und eilten zu den Fenstern.
Noch ehe sie jedoch die Vorhänge beiseitegezogen und die
Fensterflügel geöffnet hatten, eilte aus dem dunklen
Hinterhof ein Mann hervor, der ebenfalls durch den Lärm
angelockt worden war.
Björn Hellmark!
In der Dunkelheit des Hinterhofes hatte er die Ankunft der
Maschinen und der beiden entwendeten Figuren abwarten wollen.
Die Dinge entwickelten sich unerwartet in eine unvorhergesehene
Richtung.
Hellmark jagte los und eilte über die Straße auf die
Maschine zu, aus der eine Stichflamme schoß und kerzengerade in
den nächtlichen Himmel stieg.
Der Herr von Marlos wich wie ein hakenschlagender Hase aus und
stürzte sich auf den Mann, der unter dem zerquetschten Vorderrad
lag, und über dessen Lederanzug sofort meterhohe Flammen
schlugen.
Björn Hellmark war der erste, der die grauenvollen Ereignisse
aus nächster Nähe mitbekam, der am Unfallort Erste Hilfe
leistete, und dem auch das andere nicht entging.
Der thailändische Mönch!
Zeitlupenhaft langsam, als gälten für ihn andere
physikalische Bedingungen, zog er eine bogenförmige Bahn
über die nahen Häuser hinweg, tauchte in den Schatten eines
mehrstöckigen Mietsgebäudes und entzog sich so Hellmarks
Blicken.
Aber der Herr von Marlos reagierte auf seine Weise – wie
gewohnt schnell.
Er verdoppelte sich.
Seit seinem schrecklichen Unfall verfügte er über die
wunderbare Fähigkeit, seinen Körper verdoppeln zu
können.
Während er selbst quasi im letzten Augenblick und unter
Einsatz seines eigenen Lebens den Verunglückten unter
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