Macabros 121: Höllenmarionetten
Früher nicht.«
»Es hat keinen Sinn, mich hintergehen zu wollen«,
ließ die Dämonenstimme sich warnend vernehmen. »Du
wirst sie sehen und hierher zurückkehren – ohne sie. Das
ist meine Sicherheit. In dem Moment, da Hellmarks Kopf rollt, werde
ich die Entführte freilassen. Damit du’s einfach hast,
beschaffe ich sogar die Guillotine, und du kannst die Hinrichtung in
dem Kabinett stattfinden lassen… Für die Beseitigung der
Spuren garantiere ich… Du weißt, was du zu tun hast. Ich
erwarte dich im Kabinett…«
Die letzten Worte klangen wie ein Hauch und wiesen darauf hin,
daß das unsichtbare dämonische Geschöpf sich
zurückgezogen hatte und das Gespräch als beendet
betrachtete.
Rani Mahay stand sekundenlang mit gesenktem Haupt in der Mitte des
kleinen dunklen Raumes, und verzweifelte Überlegungen gingen ihm
durch den Kopf.
Die Nacht draußen war ruhig.
Alle Wohnwagen lagen in völliger Dunkelheit. Auf dem Platz
befand sich kein Mensch.
Eine Minute nach dem Verschwinden des Unsichtbaren öffnete
sich die Tür des Wohnwagens, in dem der Inder untergebracht
war.
Rani Mahay kam die schmale Holztreppe herunter, die unter seinem
Gewicht ächzte.
Mit schleppenden Schritten überquerte er den Platz zwischen
Wohnwagen und Panoptikum, in dem Björn Hellmark sich mitten
unter Wachsfiguren befand, die in Wirklichkeit keine waren.
Mahay hatte einen Schlüssel bei sich, der ihm den Zugang zum
Kabinett ermöglichte.
Er drückte die zweiflügelige Tür auf.
»Ich bin’s Björn«, rief er in die Dunkelheit.
»Kein Grund zur Aufregung…«
Während er das sagte, spielte ein harter, entschlossener Zug
um seine Lippen.
Mahay wußte, daß es kein Zurück mehr gab.
Die Würfel waren gefallen, er hatte sich für Hellmarks
Tod entschieden.
*
Die Vergangenheit!
Das dunkle, unterirdische Gewölbe irgendwo in einem Wald weit
weg von Paris, inmitten der Wirren der Französischen
Revolution…
Danielle de Barteaulieé hatte nur drei oder vier Sekunden,
um etwas für ihre Rettung zu tun.
Sie rief ein Wort und streckte blitzschnell und in abwehrender
Geste die Hand aus.
Die eingedrungenen Männer, die noch wenige Schritte von ihr
entfernt waren, brüllten noch immer.
Eben noch vor Freude über die Entdeckung der schönen
Frau – im nächsten Moment vor Wut und Schmerzen.
In vollem Lauf prallten sie gegen die unsichtbare Wand, die
Danielle mit Hilfe ihrer Hexenkräfte hatte entstehen lassen.
Die Degen klirrten gegen die unsichtbare Wand.
Die Eindringlinge purzelten durcheinander. Zwei verletzten sich
dabei.
Danielle nahm sich nicht die Zeit, das Durcheinander und Geschrei
auf der anderen Seite der ›Mauer‹ zu beobachten.
Sie kümmerte sich um den Schwerverletzten, der röchelnd
um Atem rang.
»Weg hier… keine Zeit mehr verlieren… Helfen Sie
mir«, preßte Calvell mühsam hervor.
Aus eigener Kraft versuchte er auf die Beine zu kommen.
Danielle packte ihn unter den Schultern und richtete ihn auf.
Gleichzeitig setzte sie noch mal ihre Hexenkräfte ein, die
dem Wohl des Schwerverletzten dienen sollten.
Sie nahm Calvell die heftigen Schmerzen und zog ihm den in den
Brustraum eingedrungenen Pfeil aus der Wunde.
Dann legte sie ihre Hand auf die blutende Stelle.
Der heftig sickernde Blutstrom versiegte.
Danielle verausgabte sich bis an die Grenzen der eigenen
Erschöpfung und merkte, wie ihre Hände zu zittern
anfingen.
Zu oft hatte sie ihre noch vorhandenen Kräfte während
der letzten Stunden bemüht. Dann kam der Zusammenbruch dieser
Kräfte.
Sie mußte einerseits die Trennwand aufrecht erhalten und
gleichzeitig die Schwäche abbauen, die den greisen Körper
des Alchimisten jenseits der Barriere des Todes zu treiben
versuchte.
Calvell war überrascht über die Schmerzlosigkeit und
über die Kraft, die ihn auf den Beinen hielt.
»Sie hat ihn wieder lebendig gemacht!« hörte sie
den fassungslosen Aufschrei hinter sich. »Seht, wie der Alte
rennt. Er macht gemeinsame Sache mit einer Hexe…«
»Haut alles kurz und klein!« rief eine andere Stimme.
»Die beiden dürfen uns nicht entkommen.«
Genau das aber hatten sie vor.
Die Worte und Vermutungen trafen nur einen Teil der
Wirklichkeit.
Ja, sie war eine Hexe. Aber eine in einem anderen Sinn, als der
Schreier hinter ihr ahnen konnte.
Seit sie sich von Rha-Ta-N’my abgewendet hatte und ihre
Kräfte zum Wohl Notleidender einsetzte, ging das auf Kosten
ihrer eigenen Kraft, die sie nur durch Ruhe und Schlaf
zurückgewinnen konnte.
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