Mach mich nicht an
präsent. Er hatte ja keine Ahnung, dass sie als die Älteste von Anfang an wohl oder übel die Rolle der Anführerin und Vermittlerin hatte übernehmen müssen.
Nach dem Tod ihrer Eltern war die Trennung von ihren Schwestern stets wie ein Damoklesschwert über ihr geschwebt. Sie hatte als Einzige gehört, was die Zuständige vom Sozialamt dem Anwalt gedroht hatte: dass sie in einem Heim oder bei Pflegeeltern landen würden, falls ihr Onkel Yank sich weigern sollte, die drei zu sich zu nehmen oder irgendwie Mist baute. Niemand würde Kinder in ihrem Alter adoptieren wollen, schon gar nicht alle drei auf einmal. Annabelles Angst, sie könnten auseinander gerissen werden, wurde zur Besessenheit - jedes Mal, wenn Sophie und Micki sich zankten, kamen ihr die Worte der Sozialarbeiterin in den Sinn.
»Gut, kommen wir dann also zu unserem potentiellen neuen Klienten«, schlug Lola vor.
Annabelle war dankbar für den Themenwechsel. »Wer ist es denn?«
Sophie und Micki tauschten Blicke aus, die darauf schließen ließen, dass sie bereits im Bilde waren.
»Brandon Vaughn«, platzte Micki heraus, sichtlich heiß darauf, die Bombe platzen zu lassen.
»Gewinner der begehrten Heisman-Trophy für den besten College-Footballspieler und bis zu seiner verheerenden Knieverletzung als Franchise-Player einer der wertvollsten Spieler für die Dallas Cowboys«, verkündete Sophie, die sich stets mit ihrem guten Gedächtnis brüstete.
»Außerdem wurde er in die Hall of Fame aufgenommen. Bis er nach seiner Verletzung zur Konkurrenz gewechselt hat, war er einer unserer wichtigsten Klienten«, fuhr Lola fort.
Als könnte Annabelle das je vergessen, auch wenn sie zu der Zeit nicht in der Stadt gewesen war. Das war aber noch nicht alles, was ihr zum Thema Brandon Vaughn einfiel.
»Jemand hat mir Vaughn vor ein paar Jahren bei einer Wohltätigkeitsveranstaltung vorgestellt«, murmelte Annabelle. Der Blick aus Brandons blauen Augen hatte sie förmlich hypnotisiert und Annabelle das Gefühl gegeben, als würde außer ihr keine einzige Frau auf der Welt existieren. Nicht einmal die aufgetakelte Tussi an seiner Seite.
Und sein dreistes Auftreten hatte ihr signalisiert: Ich weiß, dass du mich willst - genau wie alle anderen Frauen hier auch. Leider verkörperte Brandon genau den Typ Mann, zu dem Annabelle sich am meisten hingezogen fühlte. Sie bewunderte diese Art von sexy wirkender, selbstbewusster Ausstrahlung, auch wenn sie ihr jederzeit wieder zum Verhängnis werden konnte.
Genau wie sein Aussehen: Glänzendes schwarzes Haar, feine Gesichtszüge, breite Schultern, die in seinem Smoking hervorragend zur Geltung kamen. Zum Glück wird er nicht mehr von Onkel Yank vertreten, hatte sie damals gedacht. Das könnte ein schlimmes Ende nehmen. Schon der Gedanke an ihn weckte ihre Lust und ließ die Erregung durch ihre Adern fließen wie Honig. Mhm, Honig - sie liebte diese sanfte, weiche Süße einfach über alles ...
Sie schluckte. »Was will Vaughn denn nach all der Zeit?«
»Vor mir im Staub kriechen, hoffe ich zumindest!«, knurrte ihr Onkel. »Der Kerl hat seinen Termin nur gekriegt, weil Lola darauf bestand.« Er deutete mit dem Stift auf seine Assistentin.
»Anscheinend hat ihn damals seine Exfrau gezwungen, sich von uns zu verabschieden.« Wie üblich plädierte die besonnene Micki an ihre Vernunft, indem sie den Spieler in Schutz nahm.
»Ach was«, widersprach Annabelle. Sie erinnerte sich lebhaft an Brandons markante Züge und sein anzügliches Grinsen. »Ich kenne den Mann. Ich bezweifle stark, dass der sich von irgendeiner Frau derart in den A ... - in den Hintern treten lässt«, korrigierte sie sich rasch, als ihr Onkel ihr einen warnenden Blick zuwarf. »Ein Spieler mit Leib und Seele eben.«
Sophie nickte. »Und wir wissen alle, was das bedeutet.«
»Amen.« Annabelle wusste nur zu gut, worauf ihre Schwester anspielte. Sie hatte sich schon damals zu Vaughn hingezogen gefühlt, und angesichts der sexuellen Durststrecke, die sie hinter sich hatte - ganze sechs Monate (acht, wenn man die Zeiten dazuzählte, in denen Randy Daltons Interesse an ihr rapide abgenommen hatte) - fühlte Annabelle das Verlangen nach einer ganz bestimmten von Vaughns Fähigkeiten in sich aufsteigen.
»Bis wann werdet ihr eure derzeitigen Aufträge abschließen?« fragte sie ihre Schwestern in der Hoffnung, sich nicht allein um Onkel Yanks Neuzugang kümmern zu müssen.
Sophie und Micki warfen einander einen wissenden, verschwörerischen Blick
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