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Machiavelli: oder Die Kunst der Macht (German Edition)

Machiavelli: oder Die Kunst der Macht (German Edition)

Titel: Machiavelli: oder Die Kunst der Macht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Reinhardt
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Machiavelli an der Pest und überlebte die Seuche: damals ein kleines medizinisches Wunder. 1480 lernte Niccolò rechnen – ohne großen Erfolg, wie er später selbstironisch anmerkte. Im Jahr darauf verfasste der Zwölfjährige nach den Aufzeichnungen des stolzen Vaters bereits lateinische Verse, die sich leider nicht erhalten haben. Griechisch hingegen stand bei Machiavellis im Gegensatz zu den reichen Patrizier-Haushalten nicht auf dem familiären Lehrplan. Der Vater wollte aus dem Sohn schließlich keinen Gelehrten machen, sondern ihm das Rüstzeug vermitteln, das für eine Laufbahn als Jurist oder Kaufmann unabdingbar war.
    Auch von studia humanitatis, Studien zu Grammatik, Rhetorik, Geschichte, Moralphilosophie und Poesie, konnte im Hause Bernardo Machiavellis nur sehr eingeschränkt die Rede sein: Sein Sohn Niccolò las, was ihm an Texten antiker Autoren in die Hände fiel. So gestaltete sich seine Lektüre der römischen Schriftsteller – und der griechischen Historiker Thukydides und Polybios in lateinischen Übersetzungen – ebenso autodidaktisch wie unsystematisch und unorthodox. Der junge Machiavelli musste ohne einen humanistisch beschlagenen Pädagogen als «Denkmeister» auskommen. Dafür las und reflektierte er auf sich gestellt, das heißt selbständig: Die relative Armut im Hause seines Vaters hatte auch etwas Gutes. Diese Eigenständigkeit des Bildungserwerbs hat in Machiavellis Denken tiefe Spuren hinterlassen. Man erkennt sie in seinem Hohn über die professionellen humanistischen Prunkrhetoriker, die sich an der Sprache Ciceros berauschten, doch den tieferen Sinn der von ihnen gelesenen Autoren verkannten und sich von den Mächtigen als deren Lobredner bezahlen ließen. Schließt man nach seinen eigenen späteren Texten, so galt die Vorliebe des Knaben Niccolò schon damals den antiken Historikern wie Livius und den Komödiendichtern wie Plautus und Terenz. Die großen Philosophen des Altertums wie Platon und Aristoteles – auch sie in lateinischen Übertragungen zugänglich – haben dagegen kaum Spuren hinterlassen, mit einer bemerkenswerten Ausnahme.
    In der Vatikanischen Bibliothek wird ein Kodex aufbewahrt, der eine Komödie des Terenz und das philosophische Lehrgedicht De rerum natura («Über die Natur der Dinge») von Lucretius Carus enthält, und zwar in einer Abschrift, die mit dem Vermerk «Nicolaus Maclavellus scripsit foeliciter» versehen ist: Niccolò Machiavelli hat dies glücklich geschrieben. So viel steht also fest, doch ist es auch der «richtige» Machiavelli? Immerhin sind mindestens zwei weitere Florentiner desselben Namens belegt. Untersuchungen der Handschrift haben keine völlig gesicherten Ergebnisse erbracht, doch spricht alles dafür, dass der spätere Chef der Zweiten Kanzlei diese Kopie erstellt hat. Für fromme Christen war Lukrez, der Zeitgenosse Cäsars, ein ruchloser Gottesleugner, bestritt er doch in der Nachfolge Epikurs die Unsterblichkeit der menschlichen Seele. Diese war seiner Ansicht nach vergänglich wie der Leib, mit dem zusammen sie alterte und erlosch. Deshalb war die Furcht der Menschen vor den Göttern unbegründet, ja sinnwidrig. Stattdessen galt es, die kurze Existenz auf Erden mit vernünftigem Genuss zuzubringen, und zwar körperlich wie geistig. Rigorose Askese und hemmungslose Ausschweifung widersprachen diesem Ideal gleichermaßen. Was hat Machiavelli, der eifrige Kopist, aus diesem Text gelernt?
    Im Laufe seines Lebens zeigte er sich beiden Extremen abgeneigt, plädierte jedoch für eine konsequent ausgelebte Sexualität, und zwar nicht nur in seinen Komödien, wo sich alles nur um «das eine» dreht, sondern auch in seinen Briefen an Francesco Vettori in Rom:
Um Euch die Maßstäbe zurechtzurücken: Wenn ich mit meiner Vorliebe für die Frauen in Eure strenge Abgeschiedenheit hineingeplatzt wäre und gesehen hätte, wie der Hase läuft, hätte ich gesagt: Herr Botschafter, so werdet Ihr krank! Ihr erlaubt Euch ja gar keinen Gang vor die Haustür, hier gibt es weder Jungen noch Mädchen, was für ein vermaledeites Haus ist das eigentlich! Erlauchter Herr Botschafter, es gibt auf der Welt nur Verrückte. Und es gibt wenige, die wissen, wie es in ihr zugeht und die wissen, dass derjenige, der es allen recht machen will, zu nichts kommt, weil sich die Menschen über gar nichts einig sind. Und sie wissen nicht, dass wer am Tag für weise gilt, auch nachts nie für unvernünftig gilt. Und wer für einen Ehrenmann gehalten wird, dem macht

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