Macho-Mamas
Frauenkörpers an und bestimmte Gebären und Stillen zur weiblichen Urerfahrung.
Seither sitzen Frauen in der Falle. Aus dem Mutterkult gibt es kein Entrinnen.
Wer das übertrieben findet, der möge sich ans letzte Kaffeekränzchen erinnern, an den jüngsten Weiberabend. Das schlechte Gewissen, das Gefühl, etwas falsch gemacht, etwas verpasst, etwas als Frau oder Mutter nicht eingelöst zu haben, saß garantiert dabei. Die Mütter, die zu Hause geblieben sind, tragen heute als Fulltime-Entertainerinnen und Frühestförderungsbeauftragte für jede Matheaufgabe die Verantwortung, an der das Kind scheitert. Frauen, die hingegen lieber Karriere machen als Kinder, werden zu Rentenprellerinnen gestempelt und müssen sich für ihren Gebärstreik permanent rechtfertigen. Die Frauen aber, die beides wollen, Job und Kind, sind wahrscheinlich gar nicht bei dem Treffen erschienen, weil nach dem Büro nicht der Feierabend wartet, sondern die zweite Arbeitsschicht zu Hause.
Der Mutterkult ist die Lupe, durch die weibliches Handeln auch nach dem ersten Jahrzehnt des neuen Jahrtausends bis zur Unkenntlichkeit vergrößert, verzerrt und seziert wird, im Privaten wie auch öffentlich. Wenn Schwangere heute jedem Tropfen Alkohol entsagen, jeden Schluck Kaffee als Sünde empfinden, sich freiwillig in Askese üben und mit dickem Bauch die Brücke rückwärts turnen, um sich und ihrem ungeborenen Kind die beste aller möglichen Geburten zu verschaffen, ist das genauso dem Glauben an die Omnipotenz der Mutter geschuldet wie die Kritik, mit der die deutsche Familienministerin Kristina Schröder im Herbst 2011 überschüttet wurde, weil sie nach zehn Wochen Babypause wieder voll im Amt war. Diese Rabenmutter! Nein: Diese Macho-Mama!
Der Macho in der Mama
Gute Mädchen kommen in den Himmel. Böse Mädchen kommen überall hin. Mütter kommen – gar nicht voran.
Diese erfahrungssatte Regel wurde im Herbst 2011 erstmals statistisch untermauert. Das Porträt, welches das amerikanische Center for Work Life Policy von den zwischen 1965 und 1975 Geborenen zeichnet, hat beidseits des Atlantiks viel zu reden gegeben. Die Daten beschreiben die erste Generation in der Geschichte, in der weder Bildung noch Ziele ein Geschlecht haben. Die Frauen absolvieren etwas mehr als die Hälfte der akademischen Ausbildungen, und einundsechzig Prozent von ihnen wünschen sich wie ihre männlichen Zeitgenossen einen Topjob. Dennoch schafften es nur verschwindend wenige in eine höhere Geschäftsposition, und mehr als die Hälfte ist unzufrieden mit ihrer beruflichen Situation. Vorab die Mütter fühlen sich ausgebremst – einerseits von den Strukturen, die ihnen den Aufstieg verwehren, und andererseits von der Doppelbelastung, mit der sie als Mutter noch immer zu kämpfen haben. Wurde ihnen, als sie jung waren, nicht der Schlüssel zum Königreich versprochen? Jetzt finden sie sich in der Rolle des Prinz Charles der Wirtschaft wieder: Sie sind mit ganz wenigen Ausnahmen zu ewigen Thronanwärterinnen geworden.
Hier können wir nicht stehenbleiben. Wir müssen vorankommen, weitergehen, die Emanzipation auch für die Mütter erreichen. Dazu müssen wir nach den Patriarchen auch die zum Denkmal erstarrte Übermutter vom Sockel holen. Etwas Machismo können wir dabei gut gebrauchen. Der Macho steht für all das, was Mütter zu selten für sich in Anspruch nehmen: Raum, Aufmerksamkeit, Beharrlichkeit und auch Sturheit. Machosein bedeutet zunächst ein trotziges Festhalten an einem alten Rollenbild. Macho-Mamas tun das auch. Sie wollen die Selbstbestimmung, die Ambitionen, die Freiheiten, die sie in ihrem Vormutterleben errungen haben, nicht der Mutterschaft opfern. Sie wollen beides: Das Leben, das sie sich erträumten, und die Befriedigung des Bedürfnisses, Kinder zu haben.
Wenn wir in diesem Buch den Begriff Macho-Mama bemühen, dann nur, weil wir hoffen, dass Mütter Macho genug werden, ihn zusammen mit dem Mythos der Supermutter und allen anderen Mütterkomposita zu entsorgen. So dass unsere Töchter dereinst einfach Mütter sein können. Wenn sie wollen.
Mutterschaft mag der größte Einschnitt im Leben einer Frau sein, einer, der fast alles verändert: den Alltag, die Beziehung, die Einrichtung, die Figur, die Gefühlswelt, die Haarstruktur, die Schuhgröße und den Brustumfang. Etwas aber verändert sich nicht, jedenfalls nicht grundlegend: die Persönlichkeit. Der Trieb, etwas erreichen zu wollen, sich der Welt zu beweisen, hat den Macho immer schon
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