Macho-Mamas
als der Chef sich erbarmte und eine Kaffeepause verordnete.
Die beiden Macho-Mamas standen draußen in der Kälte und rauchten. Eine oder zwei Zigaretten pro Tag gehörten zu den wenigen Lastern, die ihnen aus dem Leben vor der Mutterschaft geblieben waren. Die meisten anderen waren zu zeitraubend. Die Zigarettenlänge Freiheit war der Luxus im Kleinkinderalltag – drei Minuten, um auf dem Balkon oder vor der Tür einen Gedanken zu beenden, ohne unterbrochen zu werden. Zigaretten waren aber auch eine gute Tarnung. Die meisten Mütter rauchen nicht, sie haben sich der schlechten Angewohnheit spätestens in der Schwangerschaft entledigt, zusammen mit anderen Dingen, die sich nicht mehr mit dem normativen Bild einer guten Mutter vertragen – dem beruflichen Ehrgeiz zum Beispiel. Es gibt auch heute noch kaum eine Mutter, die ihre Ambitionen und Arbeitsleistungen so stolz vorführt wie ihr Baby.
Spätestens um halb sechs muss ich hier weg, dachte die eine Macho-Mama, während sie dem Rauch nachsann. Statt den Kopf auszulüften, wälzte sie praktische Vereinbarkeitsprobleme: Entweder würde sie die Tagung zu früh verlassen müssen und einen schlechten Eindruck beim Team hinterlassen, das zwar verständnisvoll nicken, aber ihren leeren Platz am Sitzungstisch während der verbleibenden halben Stunde genau registrieren würde. Oder aber sie konnte die Zügel in die Hand nehmen und rechtzeitig ein Ergebnis herbeiführen: zwei Frauenthemen mussten her!
Nach vier weiteren Zügen an ihrer Zigarette wandte sie sich der neben ihr schlotternden Kollegin zu und lenkte das Gespräch auf die Leerstelle bei der Kategorie Frau. «Vielleicht», sagte sie und sah die Kollegin prüfend an, «sollte man Heidi Klum machen … Die wartet doch kaum, bis die Nachgeburt draußen ist, und rennt schon wieder zu ihrem Personal Trainer, um zwei Wochen später ihren tadellosen Körper in Dessous auf dem Laufsteg zu präsentieren. Und andere tun das auch – scheint irgendwie unter Promis ein neuer Trend zu sein.» Die Kollegin runzelte die Stirn: «Weiß der Leser überhaupt, wie wenig selbstverständlich es ist, ein paar Wochen nach der Geburt in Strings über den Laufsteg zu stöckeln? Egal. Hauptsache, wir bringen Themen, ich muss nämlich bald heim, meine Brüste tropfen schon.»
Die Macho-Mama verschluckte sich am Rauch und starrte dann der Arbeitskollegin ungläubig auf den Busen. Die – eine Mutter? Darauf wäre sie im Traum nicht gekommen. Drängte die sich nicht immer vor, wenn Themen vergeben wurden? War die nicht jedes Wochenende im Einsatz und meldete sich sogar für den Abenddienst freiwillig? Wie hatte sie nur übersehen, dass die Kollegin auch eine Mutter war? Anders herum: Wie gut musste die Kollegin den Nachwuchs versteckt haben? Offenbar so gut wie sie selbst. Und deshalb fragte sie: «Wie viele Kinder hast du denn?»
Die Kollegin lächelte. «Zwei. Die Tochter ist drei Jahre, der Sohn sechs Monate alt. Du also auch?»
Die zweite Macho-Mama nickte. «Zwei Töchter, fünf Jahre und achtzehn Monate.»
Sie duckten sich in den Eingang und rauchten ihre Zigaretten schweigend zu Ende. Dann steckten sich noch eine zweite an und fingen an zu rätseln, warum sie einander nicht erkannt hatten. Warum Mütter im Büro unsichtbar waren. Sogar für andere Mütter, die doch die Anzeichen erkennen mussten. Zunächst prüften sie das Offensichtliche: Babyfotos hatte keine von ihnen auf dem Schreibtisch stehen – die Familie auszustellen, das trauten sich eigentlich nur noch die älteren Herren mit eigenem Büro und einer Logistik zu Hause, die ihnen Windpocken, Arzttermine und Räbeliechtlischnitzen vom Hals hielt. Dann die Gespräche: Mit Kinderkram belästigten die Macho-Mamas ihre Kollegen nicht, durchwachte Nächte interessierten die ohnehin nur in Gestalt von Partys. Und wenn die Kinder erkrankten, organisierten die Mamas sofort die Großeltern, Nachbarn oder einen Babysitter – länger als ein Tag Teekochen und Zäpfchen in Kinderhintern Schieben liegt nicht drin, wenn man regelmäßig gedruckt werden will, wenn man mit den Männern und mit den kinderlosen Frauen mithalten will. Wenn man beweisen muss, dass Mutterschaft die Leistung nicht mindert. Denn allen Lippenbekenntnissen zum Trotz sind Arbeit und Familie noch immer zwei vollkommen getrennte Welten. In der einen hängt alles an Effizienz, Planbarkeit und Berechnung. In der andern bringt ein banaler Grippevirus alles durcheinander.
In dieser Pause begannen die Macho-Mamas zu
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