Macho-Mamas
voran- und weitergetrieben. Macho-Mamas wissen das, denn es ist derselbe Trieb, der sie nicht in die Mutterschaft einmünden lässt wie in einen sicheren Hafen. Sie wollen raus. Raus aus dem Haus, raus aus der alleinigen Verantwortung für die Kinder, raus aus dem verinnerlichten schlechten Gewissen. Macho-Mamas wollen Frauen bleiben und gesellschaftliches Gewicht haben, auch wenn sie sonst peinlich genau auf ihre Linie achten.
Dazu müssen sie erst sichtbar werden. Denn, so unglaublich es klingt, Macho-Mamas sind Weltmeisterinnen im Verstecken. Das haben sie im Büro gelernt, als sie es eroberten. Und mittlerweile verstecken sie ihr Muttersein so gut, dass sie nicht einmal mehr einander erkennen. Bei der Arbeit sind sie präsent und leistungsbereit, aber als Mütter sind sie unsichtbar.
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Die unsichtbare Mutter
Das zweite Kapitel beginnen wir mit einem Zoom auf einen Teamworkshop. Das ist eins jener Führungsinstrumente, an dem fast alle Chefs festhalten und das in allen Branchen gepflegt wird. Den Motivationsschub, mitunter auch die gähnende Langeweile, die man dort erfahren kann, verbindet also eine ganze Generation von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern. Der Teamworkshop droht immer dann, wenn Sonderleistungen erwartet werden, wenn etwas Neues eingeführt werden soll, oder wenn die Stimmung im Team zu wünschen übriglässt. Solche Workshops finden gern außerhalb des Büros statt, irgendwo am See zum Beispiel oder auf einem Berg. Das soll Weitblick verleihen und sporadisch zum Querdenken animieren, was dem Team durchs Jahr im Geschäftsalltag oft nachhaltig ausgetrieben worden ist.
Für das Team ist der Workshop im Hotel zumindest deshalb interessant, weil seine Mitglieder einander von einer anderen Seite kennenlernen und somit Dinge entdeckt werden können, die vorher verborgen geblieben sind: Verdeckte Hierarchien werden plötzlich sichtbar, wenn die Sitz- und Hackordnung nicht mehr feststeht, geheime Seilschaften treten zutage, wenn die Rangordnung bei den Wortmeldungen nicht mehr von den Zuständigkeiten diktiert wird. Oder Frauen entdecken in ihrer Kollegin die Mutter.
Genau das erlebten die Macho-Mamas an einem solchen Workshop. Sie hatten damals noch zu wenig Karriereerfahrung, um zu wissen, wie wichtig solche Anlässe für die eigene Positionierung im Team tatsächlich sind, aber sie waren beide ehrgeizig genug, ihre Ideen einbringen zu wollen, und hatten also Babysitter organisiert. Wenige Monate zuvor hatten beide ihr zweites Kind bekommen. Obwohl sie bereits eine ganze Zeitlang – nur wenige Meter voneinander entfernt – im selben Großraumbüro arbeiteten, wussten sie wechselseitig nichts von der Mutterschaft. Das mag seltsam klingen, aber das Verblüffende daran ist ein strukturelles Phänomen: Es ist uns Müttern zwar gelungen, das Arbeitsleben zu erobern, aber wir haben gleichzeitig die Mutterschaft daraus verdrängt. Man könnte auch sagen: Die anderen Umstände haben im Büro nie Platz gefunden.
Es war etwa vier Uhr nachmittags, die Luft hing heiß und stickig über den USM-Haller-Tischen im mittelalterlich getäferten Zunfthaus. Der Hellraumprojektor warf akzeptierte und verworfene Titelvorschläge an die Wand – Arbeitstitel für Aufmachergeschichten des Gesellschaftsressorts. Party, Drogen, Sex, Liebe, Kunst, Skandal. Kategorien, die nach und nach bestückt worden waren mit Ideen. Einzig unter der Kategorie Frau gähnte Leere. Die große Mehrheit der Männer im Team fühlte sich für diese Kategorie nicht richtig zuständig, was ihnen nicht verübelt werden durfte, denn Männer kommen schließlich in den meisten anderen Kategorien vor. Genau genommen trifft das zwar auch auf die Frauen zu – aber hier drücken wir mal beide Augen zu.
Printmedien mussten seit den neunziger Jahren der lesenden Mehrheit zuliebe sogenannte Frauenthemen bedienen. Weil aber niemand genau wusste, was das sein könnte, endete alles Mögliche in dieser Kategorie: Gesundheitsfragen etwa, aber auch «die schönen Seiten» des Lebens – also Mode, Design, Essen. Und natürlich alles, was irgendwie mit unbezahlter Arbeit zu tun hat: Familie, Kinder, alternde Eltern. Frauenthemen waren also nicht gerade aufregend und schafften es selten zum Titelthema. Sie gehörten zur Pflicht, nicht zur Kür, und sie waren nicht das, wovon ehrgeizige Journalistinnen träumten. Sie waren aber das, was meist an ihnen hängenblieb. Auch deshalb drängte sich niemand vor, und unter Frau stand immer noch nichts,
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