Macho Man: Roman (German Edition)
Waffenschein, die auch noch Fremdsprachen beherrschen. Mein altes Weltbild war sowieso schon erschüttert. Jetzt fällt es endgültig in sich zusammen. Dieses ganze Männlichkeits-Gehabe, der Machismo, der aufrechte Gang, die Klamotten, die Coolness, all das ist nur Fassade, und dahinter kann sich alles verstecken: ein Homosexueller, ein Träumer, jemand, der sich heimlich den Pferdeflüsterer ansieht, oder ein Typ, der koffeinfreien Kaffee mag. Natürlich auch ein Arschloch.
Plötzlich wird mir klar, was Werbung und Machos gemeinsam haben: Es geht ihnen nur um eine schillernde Oberfläche. Koffeinfreier Kaffee ist immer koffeinfreier Kaffee, und koffeinfreier Kaffee ist uncool, daran können weder Wahrsagerinnen noch Silikonimplantate etwas ändern.
Ich wollte immer genauso cool sein wie türkische Machos. Jetzt merke ich, dass ich sie lediglich um eine Maske beneidet habe. Ich habe diese Maske auch getragen, und sie hat mir nicht weitergeholfen. Ich habe kurzzeitig mein Marketingkonzept geändert, aber wer bin ich überhaupt? Bin ich ein netter Kerl, der sich in den letzten Wochen eine Macho-Fassade zugelegt hat, oder war ich tief in mir immer schon ein Macho, der nur die Maske des netten Kumpels getragen hat? Oder bin ich vielleicht am authentischsten, wenn ich Udo Lindenberg imitiere?
Es ist relativ schwierig, zu einer fundamentalen Selbsterkenntnis zu gelangen, während man mit 210 km/h an einer Reihe Lkws vorbeifliegt, von denen jeden Moment einer ausscheren könnte. Cem scheint meine Gedanken gehört zu haben:
»Weißt du, Daniel, Aylin war vor dir mit einem richtigen Arschloch zusammen.«
»Der Typ, dem Emine aus dem Kaffeesatz gelesen hat und der dann vom Auto überfahren wurde?«
»Genau. Er sah gut aus, hatte coole Klamotten, und alle Frauen waren total heiß auf ihn ... Er hat Aylin immer wieder betrogen, und als sie ihn verlassen wollte, hat er sie fast totgeschlagen. Seitdem ist Aylin sehr vorsichtig mit Machos ...«
Ich hätte es spüren müssen: Aylin hat sich in mich verliebt, weil ich eben kein Macho war. Und ich Blödmann verwandle mich in ihren schlimmsten Albtraum...
Um 4 Uhr 45 hält Cem mit quietschenden Reifen vor dem Haupteingang des Hamburger Flughafens. Ich hole meinen Koffer von der Rückbank und verabschiede mich von Cem mit Wan-genküsschen. Auf dem Weg zur Tür stoppt er mich noch einmal:
»Du, Daniel?«
»Ja?«
»Auch wenn du für Aylin wieder zum Weichei wirst... Den aufrechten Gang solltest du trotzdem beibehalten.«
Ich lache, schiebe meine Brust wieder nach vorne und schreite durch die Tür.
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32
Gut fünf Stunden später reicht mir der Taxifahrer meinen Koffer an, und ich stehe vor dem Rixa Diva, 11 Uhr 04 Ortszeit. In diesem Moment wird mir klar, dass ich zum ersten Mal in meinem Leben geflogen bin, ohne an mein Asthma-Spray zu denken. Meine Gedanken kreisen allein um Aylin.
Ich kann mich noch genau daran erinnern, wie ich vor gut sechs Wochen zum ersten Mal ankam. Damals war ich völlig ruhig. Ich hatte ja keine Ahnung, dass es in diesem Gebäude eine Aylin gab und dass sie mein Leben durcheinanderwirbeln würde. Jetzt schlägt mein Herz so laut, dass ich es hören kann. Ich habe mich auf der Flugzeugtoilette umgezogen, damit mich Aylin auf keinen Fall im Macho-Outfit sieht. Wer sich noch nie auf einer Flugzeugtoilette umgezogen hat, sollte das unbedingt nachholen. Besonders schön war der Moment, als ich mir gerade die neue Hose anzog und dank eines Luftlochs mit dem rechten Ohr am Seifenspender hängen blieb, während ich mit dem Fuß aus Versehen das Wasser im Waschbecken auslöste, das mir direkt in die Nase gespritzt ist.
Ich weiß noch nicht, was ich ihr sagen werde. Ich weiß nur, dass ich mit ihr reden muss. Ich will in meiner Liebesgeschichte ein Happy End. Ich habe französische Filme immer für ihre depressiven Enden gehasst. Zum Beispiel »Verhängnis« von Louis Malle: da schläft Juliette Binoche mit ihrem eigenen Schwiegervater in spe, und als ihr Verlobter die beiden erwischt, stürzt er vor Schreck über ein Geländer und ist tot. Und dann sitzt man da im Kino und denkt: super. Ganz ganz toll. Vielen lieben Dank, Herr Malle, dass sie mir den Abend versaut haben! Ich gehe dochnicht ins Kino, um mir einen Typen anzusehen, der die Verlobte seines Sohnes vögelt, und dann stirbt nicht dieses Arschloch, sondern der Sohn! Wie krank in der Birne muss man eigentlich sein, um sich so einen Müll auszudenken?
Oder »Der Mann der Friseuse«: eine
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