Macho Man: Roman (German Edition)
schrecklich leid.
Dem Flötenschlumpf tut's auch leid.
So ist das halt beim Improvisieren. Es kommen auch mal Sätze raus, die ein bisschen dämlich sind. Aber auf die Originalzeile »Der Flötenschlumpf fängt an« ist mir auf die Schnelle halt nichts Besseres eingefallen. Egal. Weitermachen. Der Refrain kommt.
- 's tut mir lalalalalalalaleid,
tut mir lalalalalalalaleid,
tut mir lalalalalalalaleid,
tut mir leid.
Tut mir lalalalalalalaleid,
tut mir lalalalalalalaleid,
tut mir lalalalalalalaleid,
tut mir leid.
Tja. Das war's wohl. Mein Leben geht den Bach runter, weil ich zu nervös war, um schnell die Kuschel-Karaoke einzulegen, die direkt neben der Kinder-Karaoke-DVD liegt. Warum habe ich das nicht früher gesehen? Jetzt habe ich's verbockt. Aylin schaut mich an. Ich kann ihren Blick immer noch nicht deuten. Dann kommt sie langsam auf mich zu und – küsst mich.
Es ist der schönste Kuss meines Lebens. Er ist voller Wärme und Liebe, und er hört gar nicht mehr auf. Wir sinken langsam zu Boden und bekommen nicht mit, wie schimpfende Eltern ihren Kindern die Augen zuhalten und fluchtartig das Theater verlassen, vermutlich um sich an der Rezeption über die unverschämte Animateurin zu beschweren. Aber das ist Aylin egal. Und mir ist egal, dass es keine Standing Ovations gibt. Als sich zum ersten Mal unsere Lippen voneinander lösen, liegen wir alleine auf der Bühne des leeren Amphitheaters.
»Wow. Ich habe nicht gedacht, dass du kommst. Obwohl Tante Emine es im Kaffeesatz gesehen hat.«
»Sie hat vorhergesagt, dass ich komme?«
»Ja. Und das war so süß, Daniel. Mit dem Lied der Schlümpfe... das war einfach ... ich habe mich in dem Moment wieder in dich verliebt.«
Plötzlich ist mir alles klar: Eine Frau, die sich in einen Mann verliebt, der mit verheulten Augen das Lied der Schlümpfe singt, das ist von allen Frauen im Universum diejenige, die für Daniel Hagenberger bestimmt ist. Jetzt hole ich einen kleinen Plastik-Butterbrotbeutel aus meiner Hosentasche hervor. Aylin schaut ihn irritiert an.
»Was ist das?«
»Du hast doch auf der Hamburger Hallig gesagt, dass du unseren Kuss nie vergessen wirst... Und wir hatten doch vorher diesen tollen Apfelkuchen gegessen, weshalb dieser Kuss ein leichtes Apfelkuchenaroma hatte. Und da hab ich, bevor wir gefahren sind,heimlich im Hallig-Krog noch ein Stück gekauft und dann zu Hause eingefroren ... Weißt du, ich hab gedacht, vielleicht kommt irgendwann ein Tag, an dem wir diesen Kuss aus irgendwelchen Gründen vergessen, und dann würde ich das Stück auftauen, und wir könnten uns wieder erinnern ... Tja, jetzt habe ich das Stück aufgetaut.«
Aylin lächelt mich mit Tränen in den Augen an. Sie nimmt etwas von dem Apfelkuchen, der in meiner Tasche vollkommen zermatscht ist, und will mich küssen, aber ich halte sie zurück. Ich ziehe mir Aylins Ring vom kleinen Finger, der mir als Aufbewahrungsort am sichersten erschien.
»Aylin, ich bin mir jetzt noch sicherer, dass du die Frau meines Lebens bist. Deshalb frage ich dich noch mal: Benimle evlenmek istiyor musun?«
Aylin kann nur noch nicken. Ich stecke den Ring wieder dahin zurück, wo sein vorbestimmter Platz ist. Aylin sucht nach meinem Ring und findet ihn an meinem Finger. Ich habe ihn nie abgenommen. Ich habe nicht einmal darüber nachgedacht. Jetzt küssen wir uns, und der Kuss schmeckt genauso wie auf der Hamburger Hallig – nur haben wir diesmal statt der Nordsee das Mittelmeer als Kulisse. Wir küssen uns mit einer Leidenschaft, die mir die Sinne raubt. Wir wälzen uns eng umschlungen über den Boden, und ich werde erst aus meiner Trance gerissen, als ich aus Versehen mit der Hand an den DVD-Player komme und dabei das »Lied vom Wackelpudding« starte.
Aylin und ich sehen uns an und müssen grinsen. Dann nimmt Aylin meine Hand und zieht mich aus dem Theater in den Palmengarten. Sie öffnet die Tür zur Hochzeitssuite, die extrem stilvoll eingerichtet ist: An den bordeauxroten Wänden hängen Landschaftsgemälde des 19. Jahrhunderts in altgoldenen Rahmen; die Tür zum Badezimmer gibt den Blick frei auf leicht getönten Marmor und goldene Armaturen; und in der Mitte des Raumes steht ein großes weißes Himmelbett. Aylin zieht mich in den Bungalow hinein, verschließt die Tür und schaut mich mit dem verführerischsten Lächeln an, das ich je gesehen habe.
»Aber, äh ... Aylin, äh, hattest du nicht gesagt, dass wir, äh, bis nach der Hochzeit...«
»Da hattest du mir noch nicht das Lied
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