Macho Man: Roman (German Edition)
sag's einfach.«
»Toll. Das sagt einer, der seiner Exfrau zwei Seitensprünge verziehen hat.«
»Stimmt doch gar nicht.«
»O doch.«
»Nein. Es waren drei.«
»Na bitte.«
»Und wahrscheinlich hat sie mich genau deshalb verlassen. Wenn ich nach dem ersten Mal hingegangen wäre und gesagt hätte: ›Baby, so läuft das nicht‹ – dann ...
»Dann wärst du nicht Mark.«
Eine unangenehme Pause entsteht. Mark versinkt in den Erinnerungen an das katastrophale Ende seiner Ehe und schwankt kurz zwischen den Möglichkeiten »in Tränen ausbrechen« und »Udo Lindenberg imitieren« hin und her, bis er sich natürlich für Letzteres entscheidet.
»Also, Alter – sei ein panikmäßiger Mann und sag deiner Hammerbraut, sie soll die Fummelei el-schnello-mäßig einstellen.«
Drei Stunden später bin ich wieder mit Aylin in Birols Strandbar verabredet. Als ich eintreffe, kommt Birol mit ausgebreiteten Armen auf mich zugerannt – zum zweiten Mal da, das heißt in der Türkei: Stammgast. Und dann wird man geradezu enthusiastisch begrüßt. So eine Begrüßung erlebt man in Deutschland höchstens, wenn man nach einer fünfjährigen Weltreise seine Eltern wieder trifft.
»Schwager, du biste da! Ich freue so sehr! Guck mal, ich habe deine Tisch wie immer! Oh, ich große Freude, Vallaha große Freude!«
Es folgen eine innige Umarmung, die üblichen Wangenküsschen und ein extrem heftiges Schulterklopfen, das bei Kalkmangel definitiv eine Trümmerfraktur nach sich ziehen würde. Dann kommt es wieder zu einem unserer tiefgründigen philosophischen Gespräche:
»Und? Alles gut, Schwager?«
»Ja.«
»Gut.«
»Ja, gut.«
»Sonne gut, immer alles gut.«
Diesmal komme ich ihm zuvor:
»Ja. Nicht wie in Deutschland.«
Dieser Satz löst unfassbaren Jubel bei ihm aus. Jetzt bin ich endgültig Familienmitglied. Er spendiert mir einen Raki, und ich verkneife mir den Satz »Wetter in Deutschland immer Regen« – aus Angst, dass er mich dann adoptiert.
Aylin ist diesmal nur 55 Minuten zu spät. Zum ersten Mal unter einer Stunde – unsere Beziehung tritt in eine neue Phase ein. Diesmal trägt sie ein rotes Minikleid, das hinter dem Rücken zusammengebunden ist. Ich verliebe mich spontan noch mal in sie. Für ungefähr 30 Sekunden bin ich der glücklichste Mensch der Welt. Dann merke ich: Es hat sich etwas verändert im Vergleich zu unserem letzten Rendezvous. Plötzlich spüre ich die Blicke deranderen Männer auf Aylins Dekolleté und Rücken – und habe das Bedürfnis, wie ein Orang-Utan auf den Tisch zu springen, auf meine Brust zu trommeln und zu brüllen: »MEINE!!!«
Das mache ich natürlich nicht. Stattdessen versuche ich vergeblich, mir eine Stelle aus Die Liebe ist das Kind der Freiheit ins Gedächtnis zu rufen. Toll, wozu liest man diese Bücher, wenn man sich im entscheidenden Moment nicht daran erinnert?! Ah, jetzt weiß ich's wieder: Man sollte neunzigminütige Beziehungsgespräche führen, nach festen Regeln, mit einer Stoppuhr ... Schwachsinn, doch nicht jetzt! Was hatte noch der Dalai Lama gesagt? Man soll ein Licht der Liebe anzünden ... Sehr gut! Oder war das Osho? Egal – und wie geht das überhaupt? Ich habe drei Rakis auf leeren Magen getrunken; wie zum Teufel soll ich mit 1,6 Promille und Sodbrennen ein Licht der Liebe entzünden?! Außerdem hab ich nicht mal ein Feuerzeug dabei.
»Alles okay, Daniel?«
»Ja. Wieso?«
»Na ja, du hast so komisch geguckt.«
»Ach so. Nein, das war nur ... äh ... Aylin?«
»Ja?«
»Ich hab mich heute gefragt... Also, es war nur so eine Beobachtung, dass äh... Also, du... Es hatte sicher nichts zu bedeuten, aber du hast... Also, du bist ziemlich körperlich, was den Kontakt mit anderen Menschen betrifft – wobei ich jetzt nicht alle Menschen meine, sondern eher die eine Hälfte... also nicht die Frauen. Um nicht zu sagen, die, äh, Männer.«
»Ja?«
»Nun, also, was die körperliche Nähe zu diesem Teil der Menschen betrifft, äh, also, mir ist natürlich bewusst, dass die türkische Kultur in dieser Frage eine ganz andere Tradition, also eine kulturell bedingte kulturelle Kulturtradition ... also, dass man sich hier halt eher mal anfasst.«
»Ja?«
»Das ist ja in Deutschland irgendwie so ein bisschen, äh, also, äh, anders. Wir geben uns eben die Hand, und das war's. Gut, in den letzten Jahren begrüßen sich manche auch mit ›Küsschenlinks, Küsschen rechts‹. Das kommt von den Franzosen, glaub ich. Aber ist ja auch egal. Was ich sagen
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