Macho Man: Roman (German Edition)
wollte ...«
»Du bist eifersüchtig, weil ich andere Männer anfasse.«
»Das äh ... ist sehr direkt formuliert, aber na ja, irgendwie, äh, ja.«
»Und du hättest es lieber, wenn ich das nicht tun würde.«
»Oh, das, das... klingt jetzt aber sehr brutal, wenn du's so sagst, aber... äh ... ja.«
Ich habe eine kurze Vision: An Aylins Stelle sitzt mir Michael L. Moeller gegenüber, der Autor von Die Liebe ist das Kind der Freiheit, und fragt mich kopfschüttelnd, ob ich denn aus seinem Buch gar nichts gelernt habe. Dann kommt der Dalai Lama als Kellner vorbei und fragt, ob er jetzt das Licht der Liebe servieren darf.
Im Hier und Jetzt sitzt Aylin mir gegenüber. Ihr steigen Tränen in die Augen. Ist sie enttäuscht von mir? Mustert sie mich jetzt aus?
»Du bist unglaublich, Daniel...«
Unglaublich was? Unglaublich primitiv? Unglaublich besitzergreifend?
»... unglaublich warmherzig. Ich habe noch nie einen Mann erlebt, der so süß eifersüchtig wird.«
»Du... du findest das nicht bescheuert?«
»Quatsch. Du bist doch ein Mann.«
»Du bist doch ein Mann.« Aus Aylins Mund klingt alles so unkompliziert. Ich bin ein Mann. Also habe ich auch das Recht, eifersüchtig zu sein. Die türkische Kultur gefällt mir immer besser. Michael L. Moeller sollte sich unbedingt mal mit Aylin unterhalten.
»Es stimmt, ich fasse alle ständig an ... Tja, Daniel, ich war halt zu lange Single.«
»War?!«
»Ja.«
»Das heißt, du siehst das auch so, dass wir zwei jetzt, also, dass wir...«
»... ein Paar sind.«
Aylin lächelt mich an. Ich lächle zurück. Mehr gibt es nicht zu sagen. Wir sind ein Paar. Ich kann mein Glück kaum fassen.
Unsere Hände berühren sich in der Tischmitte, und mein Körper zeigt mir, dass er auch ohne Allergieschock in Wallung geraten kann.
Ich weiß genau, dass ich mich daran noch in 50 Jahren erinnern werde: ein ganzer Abend, an dem ich nicht das geringste Bedürfnis verspüre, Udo Lindenberg zu imitieren. Und ich habe dazugelernt: Diesmal lehne ich Birols Angebot mit dem türkischen Viagra ab.
Nach dem Essen schlendern wir Hand in Hand im Mondlicht zum Hotel zurück, vorbei am Pool, hin zum Wohnbereich der Animateure, und auf einmal steht eine ganz banale Frage im Raum: Soll ich mit reinkommen? Diese Thematik kenne ich eigentlich nur aus dem Fernsehen. Da heißt es immer: »Willst du noch auf einen Kaffee mitkommen?« Aber das fällt schon mal flach, denn Aylin trinkt grundsätzlich Tee. Und ich habe noch nie eine Serie oder einen Film gesehen, in dem eine Bett-Beziehung anfängt mit »Willst du noch auf einen Tee mitkommen?« – nicht mal bei Sex and the City, und die haben doch keine Perversion ausgelassen. Woran liegt das eigentlich? Ist Tee so abturnend? Klar, wenn man sagen würde: »Komm mit – ich mach uns einen Blasentee«, oder: »Soll ich uns Löwenzahnwurzeln aufgießen, ist sehr gut für den Magen-Darm-Trakt?« – das wäre eventuell kontraproduktiv. Aber eine Ostfriesen-Mischung von Meßmer ist doch nicht unerotischer als Dallmayr Prodomo.
Aylin sagt einfach gar nichts. Sie gibt mir einen intensiven Zungenkuss und verschwindet dann alleine in ihrem Zimmer. Klar, es wäre definitiv zu früh gewesen. Und sie hat morgen wieder einen harten Arbeitstag. Apropos hart ... Mein Unterbewusstsein wäre wohl doch sehr gerne auf einen Kaffee mitgegangen. Meine Erektion klingt schon auf dem Weg zu meinem Zimmer wieder ab, weil der Gedanke an Sex von Sorgen über die Zukunft meiner Beziehung mit Aylin verdrängt wird:
• Wird Aylins Vater einen deutschen Freund für seine Tochter akzeptieren?
• Hat er Aylin vielleicht schon für viel Geld dem Sohn eines Mafiabosses versprochen?
•Wird Aylin von mir verlangen, dass ich mich beschneiden lasse?
• Beherrscht Aylins Bruder asiatische Kampfsporttechniken? Und wenn ja, wie viele Knochen bricht er mir, wenn er merkt, dass ich mit seiner Schwester zusammen bin?
• Wird mich die Familie vielleicht irgendwann im Schlaf betäuben, und ich wache am nächsten Morgen beschnitten auf? 7
Faszinierend, wie Zukunftsängste sexuelles Verlangen einfach abschalten können. 8 So liege ich um 4 Uhr 27 und 38 Sekunden immer noch wach und zappe mich zu KRAL, dem türkischen MTV, wo sich der jammernde türkische Macho erneut von Autos und Lkws überfahren lässt. Als ich noch darüber nachsinne, ob ich ihn auf der Zlatko-Skala mit einer 0,87 oder 0,88 einordnen soll, schlafe ich endlich ein.
Im Traum erklärt mir der türkische
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