Macho Man: Roman (German Edition)
warst zwei Stunden bewusstlos. Der Arzt hat dir eine Cortison-Spritze gegeben.«
Der Mann hat mein Leben gerettet. Das ist doch letzten Endes die Hauptsache. Einzelzimmer und Chefarztbehandlung, das ist eh nur was für Weicheier ... Moment, bin ich nicht selbst ein Weichei? Na ja, immerhin habe ich Soldaten und Rosenverkäuferinnen vertrieben. Und mit dem Tod gerungen.
»Aylin, ich möchte dir eine Frage stellen.«
»Ja?!«
»Warst du die ganze Zeit... hier???«
»Ja. Klar.«
Wow. Frauen sind bekanntlich viel geruchsempfindlicher als Männer, und hier ist es selbst für mich kaum auszuhalten. Aylin muss wirklich etwas für mich empfinden. Im Mondlicht und miteiner sanften Meeresbrise in der Nase, da ist es einfach, verliebt zu sein. Aber unter grellen Neonröhren mit einer Duftmischung aus Ammoniak, Urin und Erbrochenem – da zeigt sich, was wahre Liebe ist. Ich lächle Aylin an. Sie lächelt zurück. Ein Arzt kommt vorbei und redet Türkisch mit mir. Ich schaue Aylin fragend an.
»Er will wissen, ob du eine Auslandskrankenversicherung hast.«
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9
»Allergieschock?! Mensch, Alter, da hast du ja sicher panikmäßig Panik gekriegt...«
Es geht doch nichts über einfühlsame Freunde, die einen trösten. Ich ärgere mich ein bisschen, weil ich nicht mal mit meinem Nahtod-Erlebnis angeben kann, denn »Allergieschock« – das klingt nicht mal ansatzweise männlich. »Ich wurde von einem Tiger angefallen« oder »Ich war kurz vorm Gipfel des Mount Everest, als ein Orkan mit 150 km/h auf mich zukam« – das sind Berichte, mit denen man Eindruck schinden kann. Aber »Ich bin fast krepiert, weil ich Haselnüsse gegessen habe« – mit der Story kommt man nicht mal in die Apotheken-Umschau.
Allergieschock ... Ich hatte 1994 meine Kriegsdienstverweigerung schon eingereicht, aber sie wurde nicht anerkannt – ausgemustert. Als Kriegsdienstverweigerer kann man bei vielen Frauen noch punkten, vor allem bei Sozialpädagoginnen. Das hat zumindest ein bisschen was Heldenhaftes – aber »untauglich aufgrund von allergischem Asthma«?? Ich hab den Arzt im Kreiswehrersatzamt angefleht: »Bittebittebitte nicht ausmustern! Ich bin doch nicht für alle Kampfhandlungen ungeeignet! Wenn wir zum Beispiel mal Krieg führen gegen einen Schurkenstaat mit sehr wenig Blütenpollen ... Oder im Winter, da könnte ich unser Vaterland verteidigen – zumindest wenn keine Felltiere in der Nähe sind.«
Nichts zu machen. T5. Untauglich. Feierabend. Heimlich habe ich mich sogar gefreut. Wer hat schon Lust auf anderthalb Jahre Zivildienst? Aber seitdem verfolgt mich dieses Wort: »Untauglich«. Als Aylin erscheint, habe ich irgendwie Angst, dass sie mich jetzt auch ausmustert.
»Daniel war so tapfer. Schon vier Stunden nach dem Kollaps wollte er wieder ins Hotel.«
Aus ihrem Mund klingt das Ganze viel freundlicher. Türkische Frauen verstehen es, einen als Mann aufzuwerten. Selbst wenn man Erektionsprobleme hätte, würden sie wahrscheinlich noch sagen: »Toll, wie selbstständig dein Penis Entscheidungen trifft.«
Als Aylin mit Mark das Animationsprogramm für den Tag bespricht, bemerke ich, dass sie ihn dabei anfasst: Zunächst legt sie ihm die Hand auf die Schulter, dann streichelt sie ihm über den Rücken. Als Aylin weitergeht, bemühe ich mich, diese Szene zu verdrängen – da sehe ich, dass sie auch einen der Väter beim Reden ständig anfasst. Toll, für mich waren das klare Signale, dass sie was von mir will. Aber wenn sie alle Männer anfasst, dann gibt es nur zwei Möglichkeiten: Entweder sie will von allen was, oder aber es war mitnichten ein Signal, dass sie etwas von mir will.
Ich muss mit Mark sprechen. Er kennt Aylin länger als ich.
»Ey Alter, dübndüdüüü... Bei Onkel Pö spielt 'ne Rentnerband seit 20 Jahren Dixieland. 'n Groupie ham die auch, die heißt Rosa oder so, und die tanzt auf dem Tisch wie ein Go-go-go-Girl...«
Ein so heikles Thema könnte ich niemals direkt ansprechen. Deshalb singe ich erst mal das Lied Alles klar auf der Andrea Doria, woraufhin Mark Hinterm Horizont geht's weiter anstimmt und ich das Medley mit Gerhard Gnadenlos aus dem Album Sündenknall abschließe. Dann endlich komme ich zum Thema:
»Du, äh, also, dass, äh, Aylin. Also, dass Aylin... also, äh, sie fasst andere Männer immer so an, und ich wollte, äh ... mal fragen ...«
»Klar, das macht sie immer. Ist halt ihre Art. Die Türken sind sowieso viel körperlicher als wir. Hat nichts zu bedeuten.«
»Oh. Ach so.
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