Macho Man: Roman (German Edition)
winken? Hat John Wayne jemals gewunken, oder Rambo oder der Terminator? Nein, Teletubbies winken oder kleine sprechende Erdmännchen, aber es ist schwer, sich einen winkenden Killer-Roboter vorzustellen. Obwohl, seit Schwarzenegger Gouverneur von Kalifornienist, muss er ja auch in der Öffentlichkeit winken. Das ist die Rache des Schicksals, weil Schwarzenegger ein ewiges kosmisches Gesetz gebrochen hat: Bodybuilder sind mit Traumfrauen zusammen, dafür sind Bierbäuche an der Macht. Das war immer so, und so bleibt die Welt schön im Gleichgewicht. Wenn jetzt ein Bodybuilder an die Macht kommt, dann muss er wenigstens winken – dann sieht er albern aus, und alles ist wieder im Lot.
Ich stelle das unmännliche Winken jetzt ganz ein und fühle mich wie John Wayne. Natürlich ist es cooler, alleine auf einem Pferd in den Sonnenuntergang zu reiten, als in einem Neckermann-Bus voller Pauschaltouristen mit Adiletten zum Flughafen zu fahren. Aber es kommt auf die innere Haltung an. Und die stimmt. Bis ich nach ziemlich genau zehn Sekunden sehe, wie Aylin sich Tränen aus dem Gesicht wischt. Plötzlich werden auch meine Augen feucht – jetzt wäre exakt der richtige Moment für den Bus loszufahren.
Leider spielt sich draußen eine Szene ab, die die Abreise vorerst unmöglich macht: Das gesamte männliche Animations-Team bringt einer 20-jährigen Blondine die Koffer zum Bus. Aylin hat mir erzählt, dass das Koffer-zum-Bus-Bringen ein geheimer Code in Animateurskreisen ist. Es bedeutet: Ich habe mit ihr geschlafen. In diesem Fall würde es bedeuten, dass die Blondine mit dem kompletten Team im Bett war – herzlichen Glückwunsch. Jetzt muss sie sich natürlich von jedem Einzelnen ausgiebig verabschieden.
Ich versuche, meine Traurigkeit zu bekämpfen, indem ich Mark mit ein paar coolen Udo-Lindenberg-Gesten dazu animiere, dass er jetzt udomäßig auf der Stelle tänzelt und ein imaginäres Mikrofon durch die Luft schleudert. Jetzt muss auch Aylin wieder lachen. Die Blondine ist inzwischen im Bus und versucht, ihre Animationsfreunde draußen mit Blitz durch die getönte Scheibe zu fotografieren. Die Zeit der Blondinenwitze ist zwar vorbei, aber dieses Exemplar hat irgendwie überlebt.
Der Bus fährt an, mein Herz bekommt einen kleinen Stich, die Feuchtigkeit kehrt in meine Augen zurück, und ich kann einfach nicht anders – ich winke. Aylin winkt zurück, läuft dem Bus einige Meter nach und schüttet Wasser hinterher. Eine türkische Tradition, die so viel bedeutet wie: Die Reise soll fließen wie dasWasser. Oder so. Hat Aylin mir vorher erklärt. Vielleicht heißt es auch: Das Flugzeug soll nicht ins Wasser stürzen; oder man soll nicht immer nur Tomatensaft bestellen; oder der Fahrer soll endlich mal den Bus waschen.
Aylin wird immer kleiner, dann biegt der Bus um die Ecke, und ich kann sie nicht mehr sehen. Aus dem Blick. Weg. Nicht da. Verschwunden. Fort. Abwesend. Nicht mehr bei mir ... Es fühlt sich seltsam an. Hab ich diese zwei Wochen vielleicht nur geträumt?! Schnell ziehe ich meine Digitalkamera aus der Tasche und öffne die Bildergalerie:
• Aylin vor dem Hotel-Pool
• Aylin vor dem Hotel-Pool, aber ein bisschen näher rangezoomt
• Aylin vor dem Hotel-Pool, jetzt längs statt quer
• Aylin vor dem Hotel-Pool, aber aus einem leicht veränderten Blickwinkel
• Aylin vor dem Hotel-Pool, aus dem anderen Winkel, ein bisschen näher rangezoomt
• Aylin vor dem Hotel-Pool, aus dem anderen Winkel, jetzt längs statt quer
• Aylin vor dem Hotel-Pool, ohne das Rixa-Diva-Animations-Team-T-Shirt
• Aylin am Strand
• Aylin am Strand
• Aylin am Strand
• Aylin am Strand
• Aylin am Strand
• Aylin am Strand
• Aylin am Strand
• Aylin am Strand
• Aylin am Strand
• Aylin am Strand, mit Muschel in der Hand
• Aylin am Strand, Küsschen gebend
• Aylin am Strand, als Silhouette, mit Sonnenuntergang
• Aylin am Strand, geblitzt, mit Sonnenuntergang
• Aylin am Strand, nachdem die Sonne untergegangen ist
Als der Bus nach 157 weiteren Aylin-Fotos am Flughafen ankommt, bin ich immer noch nicht durch. Ich habe in zwei Wochen mehr Fotos von Aylin gemacht als zehn Paparazzi von Britney Spears. Auf jeden Fall kann ich mir sicher sein, dass ich nicht geträumt habe.
Leider gibt es nur zwei Bilder, auf denen ich auch mit drauf bin: Das erste zeigt mich mit Aylin in Birols Strandbar (man sollte nie die Kellner Fotos machen lassen, die wollen immer nur zeigen, wie schön ihr Restaurant
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