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Macho Man: Roman (German Edition)

Macho Man: Roman (German Edition)

Titel: Macho Man: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Moritz Netenjakob
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warte noch ein paar Sekunden eine Antwort ab, und als sie nicht kommt, geben meine Knie nach, und ich sitze – ob ich will oder nicht. Plötzlich durchfährt mich ein Adrenalinstoß: was, wenn das der Platz des Chefs ist? Dann habe ich ein weiteres Sakrileg begangen und seinen Stuhl entweiht ...
    Ich sehe schon die Express-Schlagzeile vor mir: »Werbetexter in türkischem Männercafé gelyncht« – und meine Eltern müssen nicht nur meinen Tod betrauern, sondern sich auch noch schuldig fühlen, weil ihr Sohn das deutsch-türkische Verhältnis belastet hat.
    Seit meinem Eintreten sind höchstens zehn Sekunden vergangen, aber für mich dehnt sich die Zeit gerade in kaum erträglichem Maße. Da löst sich ein Mann aus dem hinteren Teil des Raumes und kommt nach vorne. Jetzt erkenne ich Herrn Denizoglu – ich muss ihn übersehen haben.
    »Daniel! Ogulum!«
    »Ogulum?«
    »Mein Sohn!«
    Er packt mich unter den Achseln und zieht mich nach oben, um mich auf die Wangen zu küssen. Für einen Moment fühle ich mich als nasser Sack wie damals in der Tanzschule. Dann ruft Herr Denizoglu in die Runde:
    »Daniel Aylinin nisanlısı.«
    »Daniel ist Aylins Verlobter« – der erste türkische Satz, den ich verstanden habe. Sofort bricht lauter Jubel aus, und dieselben Männer, die mich eben noch angesehen haben wie ein Seepferdchen im Haifischbecken, kommen zu mir, rufen »Eniste«, küssen mich auf die Wangen und – klopfen mir auf die Schultern. Da mein Adrenalinspiegel immer noch hoch ist, ertrage ich die Schmerzen mannhaft, aber der Job meiner Ostheopathin wird immer schwieriger.
    Jetzt fällt mir auf, dass viele der Männer blaue Augen und blonde oder rote Haare haben wie Aylins Vater und Bruder. Kein Wunder, es handelt sich um ein Schwarzmeercafé. Deshalb sind auch alle hier für Trabzonspor, und nicht für Galatasaray, den heutigen Gegner.
    Orhan Bey, einer der wenigen dunkelhaarigen Männer, die aussehen, wie man sich Türken vorstellt, hat mir einen Tee bestellt und will mir in gebrochenem Deutsch einen Witz erzählen. Es geht um einen Bauern, der an einer Krankheit leidet, für die Orhan Bey leider das deutsche Wort fehlt. Er fragt auf Türkisch in die Runde, aber offenbar sind die anderen so ratlos wie er. Diverse türkische Sätze werden ausgetauscht, ich höre Wörter wie »Katarrh«, »Blasenschwäche« und »Durchfall«, schließlich einigt man sich auf »Hämorrhoiden«. Offensichtlich handelt der Witz davon, dass dem armen Bauern geraten wurde, sein Hinterteil an das Loch der Stalltür zu halten, damit ihm sein Ziegenbock die Hämorrhoiden weglecken kann. Durch eine tragische Verwechslung steckt der Bock jedoch anstelle seiner Zunge sein Horn durch das Loch, wodurch es zu einer unfreiwilligen analen Penetration kommt – was anscheinend der Witz ist. Eine Pointe, mit der sich Orhan Bey problemlos in eine Kölner Herrensitzung einfügen würde, der kölschen Variante des Männercafés. Da sieht man wieder: Humor ist universell. Ich lache höflich mit, obwohl ich seit der Kastration von Hennes VIII. nichts Lustiges mehr an Ziegenböcken finden kann.
    Der geneigte Hobby-Psychologe würde in Witzen über anale Penetration normalerweise einen Katalysator für Homophobie sehen. Was zu dieser Diagnose aber gar nicht passt, ist, dass die Männer hier völlig selbstverständlich ihrem Sitznachbarn den Arm um die Schulter legen und ihm den Schenkel tätscheln. Das könnte kein heterosexueller deutscher Mann ohne Angstattacke überstehen. Selbst in mir löst es ein leichtes Unwohlsein aus, und dabei kann man nicht toleranter erzogen werden. Meine Eltern waren sogar stolz, dass ich in der Montessori-Schule von einem Lesben-Pärchen unterrichtet wurde. Als hätte das einen Wert an sich, so ein Gütesiegel wie »Von Felsquellwasser gebraut«: Daniel Hagenberger – von Lesben erzogen.
    Auf jeden Fall: Hier ist es völlig selbstverständlich, dass sich Männer anfassen. Vielleicht muss man keine Angst vor Homosexualität haben, wenn man von der Annahme ausgeht, dass es das bei Türken einfach nicht gibt?!
     
    Die Mannschaften betreten das Spielfeld – und ich bin unsicher, ob meine Lieblingsmannschaft die in Blau-bordeaux oder die in Rot-gelb ist. Ich schaue auf den Trabzonspor-Wimpel an der Wand: blau-bordeaux. Aylins Vater klärt mich auf: das Blau steht für das Meer, das Bordeaux für den Tee.
    In diesem Fall ist Integration einfach: Ich muss nur spontan eine Abneigung gegen die rot-gelben Spieler entwickeln ... Alles

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