Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Macho Man: Roman (German Edition)

Macho Man: Roman (German Edition)

Titel: Macho Man: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Moritz Netenjakob
Vom Netzwerk:
Ahnung.«
    »Wo hast du denn die besten Noten?«
    »Ich hab keine guten Noten.«
    »Und wo hast du die am wenigsten schlechten Noten?«
    »Sport.«
    »Gut, Sport ist jetzt nicht direkt das, was einem in der Werbebranche weiterhilft, aber äh ... und was machst du so in deiner Freizeit?«
    »Telefonieren.«
    »Ah, das ist gut. Dann wäre vielleicht ein Bürojob geeignet.«
    »Ich hasse Bürojobs.«
    »Okay, also eher was in der Produktion. Vielleicht Requisite?«
    »Keine Ahnung.«
    »Kamera?«
    »Weiß nicht.«
    »Regieassistenz?«
    »Keine Ahnung.«
    »Vielleicht machst du einfach mal ein Praktikum und guckst dann, was dir am meisten liegt.«
    »Kriegt man da Geld?«
    »Am Anfang nicht, aber ...«
    »Dann mach ich's nicht.«
    »Aber wenn du in die Werbebranche willst, dann ...«
    »Ich will nicht in die Werbebranche.«
    »Aber deine Mutter hat doch gesagt, du willst in die Werbebranche.«
    »Ich weiß.«
    »Aber ... Hast du ihr denn nicht gesagt, dass du das gar nicht willst?«
    »Natürlich nicht.«
    »Äh... Wieso natürlich?«
    »Na, dann hätten wir diskutiert. Und ich hasse Diskussionen.«
    »Also du ziehst es vor, dich hier mit mir zu treffen, obwohl das völlig überflüssig ist, statt deiner Mutter zu sagen, dass du nicht in die Werbebranche willst?«
    »Klar. Dann hab ich's wenigstens versucht.«
    »Aber du hast gar nichts versucht.«
    »Aber Mama denkt, ich hab's versucht.«
    »Tja. Dann wäre das ja geklärt.«
    »Mhmm.«
     
    Nach dieser erquicklichen Konversation war ich in Leverkusen und habe mir pflichtgemäß Onkel Serkans Hochzeitssaal angesehen, der in seiner Trostlosigkeit selbst von den hässlichsten Schulsporthallen nicht übertroffen wird und allenfalls die geeignete Location für einen Themenabend »Barbarossaplatz« abgeben würde. Auch mit Onkel Serkan hatte ich eine interessante Unterhaltung:
    »Äh, also, das ist wirklich ein toller Raum, Serkan Bey...«
    »Nenn mich einfach Amca, Eniste.«
    »Amca?!«
    »Onkel. Von Vaterseite.«
    »Ah. Also, Amca Serkan ...«
    »Nein, einfach nur Amca. Ohne Serkan.«
    »Okay. Amca, ich finde den Saal wirklich toll. Besonders das Schlichte. Es hat etwas vom Bauhaus-Stil der 20er-Jahre – es gibt auf jeden Fall nichts Störendes, das von der Reinheit des Mischbetons ablenkt, und auch auf der documenta habe ich einige interessante ... äh... aber weißt du, bei einer Hochzeit, sollte das nicht irgendwie ... also so ein bisschen romantischer, vielleicht...«
    »Eniste, das überhaupt keine Problem. Wird alles geschmückt, kommt Luftballons, kommt viel rote Tüll, kommt Rosen, kommt weiße Tischdecken, Plastikblumen, schöne Bilder aus echte Leder, wird sehr sehr romantisch, Vallaha billaha.«
    Wir sind so verblieben, dass ich mich noch mit Aylin darüber unterhalten und dann eine Entscheidung treffen werde – wasOnkel Serkan zu der launigen Bemerkung veranlasste, dass ich offenbar schon unter Aylins Pantoffel stehe.
     
    Jetzt sitze ich mit Baba auf dem Sofa, während Anne uns Tee und Knabbereien serviert. Cem gesellt sich zu uns, nachdem er seinen Akku leer telefoniert hat. Im Fernsehen moderiert Ibrahim Tatlises, der Superstar der türkischen Arabesk-Szene, auf seinem eigenen Sender Tatlises TV eine Samstagabend-Show. Das Konzept besteht darin, dass sich mehrere junge Frauen auf einem Sofa räkeln und Ibrahim Tatlises beim Singen bewundern.
    Zwischen den Liedern erzählt der Senderchef heitere Anekdoten aus seinem Leben und bezieht gelegentlich sogar die Sofa-Groupies mit kurzen Zwischenfragen in seinen Monolog ein – aber nur, um zu beweisen, dass es sich nicht um Schaufensterpuppen handelt; Tatlises unterbricht sie nach spätestens fünf Sekunden.
    Ich finde Tatlises ehrlicher als Florian Silbereisen: Er zeigt sein Desinteresse an den Gästen ganz offen und versucht nicht, seinen Selbstdarstellungsdrang mit schleimerischer Kumpelhaftigkeit zu kaschieren.
    Als Ibrahim Tatlises nach gut zwei Stunden sein mittlerweile vierzehntes Lied anstimmt, brauche ich allerdings eine große Portion multikultureller Toleranz, um keine Hassgefühle gegen diesen permanenten Jammergesang zu entwickeln, der in der Lautstärke eines Metallica-Konzerts durch das Denizoglu'sche Wohnzimmer dröhnt.
    Ich bin erleichtert, als Cem gegen 22 Uhr seinen Handy-Akku aufgeladen hat und zum Aufbruch bläst. Wir verabschieden uns mit den obligatorischen Küsschen von Baba und Anne und steigen in Cems BMW Cabrio. Cem mustert mich von oben bis unten und schaut mich skeptisch

Weitere Kostenlose Bücher