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Macho Man: Roman (German Edition)

Macho Man: Roman (German Edition)

Titel: Macho Man: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Moritz Netenjakob
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bei euch ... Nicht wie bei uns mit Visum, Terrorismus-Fragebogen und Sprachtest...«
    »Genau. Freitag will Tante Emine dich treffen, du kennst sie, aber nicht die Kaffeesatzlese-Emine, die andere. Ihre Tochter will nämlich in die Werbebranche, vielleicht kannst du ihr ja helfen ... Dann wäre es schön, wenn du zwischendurch bei Onkel Serkan inLeverkusen vorbeischaust, der will dir mal seinen Hochzeitssaal zeigen, nur ganz unverbindlich. Samstag lädt dich Mama zum Essen ein, und danach nimmt Cem dich mit in die Disco. Okay?« Plötzlich wird mir klar, dass die enge Familienbindung der Türken eine gewisse Fremdbestimmtheit mit sich bringt. Zwar darf man seiner Verlobten die Arbeit verbieten, aber damit hören die Kompetenzen dann auch schon auf.
     
    Ich nehme das Handy mit aufs Klo, damit ich Aylin »Ich liebe dich« sagen und anschließend ins Handy küssen kann, ohne dass meine Kollegen das mitbekommen. Leider ist das Klo besetzt, also gehe ich ins Treppenhaus, wo aber schon jemand aus der Grafikabteilung telefoniert, der wahrscheinlich das gleiche Problem hat. Ich renne schnell runter auf die Straße, wo allerdings ziemlich viele Fußgänger unterwegs sind. In einem Hofeingang finde ich ein ruhiges Plätzchen – jedenfalls bis ein Presslufthammer losdröhnt. Ich renne über die Brüsseler Straße, wo ich von einem Radfahrer als »Penner« beschimpft, von einem Taxifahrer dröhnend angehupt und anschließend um ein Haar von einem Lkw er-fasst werde, und lande schließlich – nachdem ich mein Portemonnaie erfolgreich gegen einen etwa zehnjährigen Mitbürger mit Migrationshintergrund verteidigt und einer hübschen Studentin zugezwinkert habe (sie lächelt – Nummer sieben, Yes! 22 ) – in der neuromanischen Kirche St. Michael, wo ich endlich genügend Intimsphäre finde, um mich gebührend von Aylin zu verabschieden. Da soll noch einer sagen, durch Handys sei Telefonieren einfacher geworden...
    Drei Stunden später stehe ich in der Weidengasse vor dem Männercafé »Karadeniz«, durch dessen Milchglasscheiben man nicht nach innen sehen kann. Ich habe ein mulmiges Gefühl im Magen. Als ich die Tür öffne, habe ich den Eindruck, das Tor zu einer anderen Welt aufzustoßen: rauchgeschwängerte Luft, die das grelle Neonlicht durch den gesamten Raum transportiert. Spartanische Holztische und -stühle, eine spärlich ausgestattete Theke. An den kargen Wänden hängen ein moderner Flachbild-Fernseher, ein Atatürk-Porträt, ein Trabzonspor-Wimpel, eine goldene Plastikuhr sowie einige vergilbte Fotos vom Schwarzen Meer: Teeplantagen, ein Felsenkloster, eine Moschee mit zwei Minaretten an einem Bergsee. Wenn man einem professionellen Fernsehausstatter den Auftrag gegeben hätte, einen Raum so ungemütlich zu gestalten wie nur irgend möglich – er hätte es nicht mal ansatzweise so gut hinbekommen. Wahrscheinlich ist es ein genialer Trick, um Frauen fernzuhalten. Keiner der Männer muss sagen: »Du, Schatz, ich hab es nicht so gerne, wenn du mitkommst« – der Raum sagt es viel klarer und deutlicher: Hier ist frauenfreie Zone.
    Als ich die Schwelle übertrete, schauen mich gut 20 Augenpaare, unter denen sich mindestens 17 Schnäuzer befinden, überrascht an. Ich kannte diese Szene bisher nur aus Western-Filmen: Ein Cowboy betritt den Saloon, und auf einen Schlag verstummen alle Gespräche – man könnte eine Stecknadel fallen hören. Jetzt bin ich mitten in dieser Szene, mit dem Unterschied, dass der Saloon hässlich ist und man die Stecknadel nicht hören würde, weil der Fernseher dröhnt.
    Ohne mein neues männliches Selbstbewusstsein hätte ich jetzt spontan die Flucht ergriffen, so bringe ich immerhin leicht stotternd das auswendig gelernte »iyi aksamlar« (guten Abend) über die Lippen. Die Blicke werden noch skeptischer. Angst steigt in mir hoch. Ich bin sicher, dass ich irgendein ehernes Gesetz verletzt habe und gleich Opfer einer wütenden Meute werde.
    Ich schaue mich mit ansteigender Panik nach Aylins Vater um. Er ist der Einzige, der mich retten kann. Er ist nicht da. Meine Knie werden weich, und ich schleppe mich gerade noch zu einem der Tische, an dem zwei freie Stühle stehen.
    »Äh, Entschuldigung, ist hier noch frei?«
    Die Männer am Tisch hören diese Frage offensichtlich zum ersten Mal in ihrem Leben. Wahrscheinlich hat sie in der Geschichte der türkischen Männercafés noch nie jemand gestellt. Ein Platz ist entweder frei oder nicht. Vielleicht sprechen sie auch einfach kein Deutsch. Ich

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