Macho Man: Roman (German Edition)
mangelnder Türkischkenntnisse nicht verstehe, aber sein Blick verheißt nichts Gutes. Dieser Blick ist international, und er bedeutet: Verabschiede dich schon mal von deinen Zähnen!
Im letzten Moment reißt ihn seine Freundin von mir weg und verwickelt ihn in einen Tanz. Dasselbe passiert mit den anderen Männern, die mir ebenfalls an die Wäsche wollten: Sie alle werden
von ihren Frauen in heiße Tänze verwickelt, die die Gewaltbereitschaft auf null reduzieren. Wow! Hier in einer Berliner Türken-Disco, im Jahr 2008, verstehe ich endlich, was meine Eltern in den 70er-Jahren mit »Make Love not War« gemeint haben: Diese türkischen Frauen haben gerade mit Balztänzen eine Schlägerei verhindert – herzlichen Glückwunsch.
Jetzt erinnert die Tanzfläche an die heißen Szenen von Dirty Dancing. Auch ich werde plötzlich gepackt – von Emine. Sie umklammert meine Hüfte und lässt ihren Körper in wellenförmigen Bewegungen an mir entlanggleiten, was von der Benebelungswirkung her zwei weiteren Wodka-Red Bull gleichkommt.
Ich spüre, dass ich dabei bin, auf eine Katastrophe zuzusteuern. Aylin mit ihrer eigenen Cousine zu betrügen wäre auf der Liste der Dinge, die ich tun könnte, um uns auseinanderzubringen, mit Sicherheit ganz weit oben; es wäre schlimmer, als bei der Hochzeit das Ja-Wort als Reiner Calmund zu sagen oder mir »Griechenland ist geil« auf den Penis zu tätowieren. Los, Daniel, reiß dich zusammen! Du liebst Aylin. Und deshalb musst du jetzt stark sein! Diese Botschaft geistert als schwaches Echo irgendwo durch hintere Hirnregionen. Aber sie findet nicht den Weg nach vorne. Sie schreit und tobt, aber sie ist zu weit weg; das Stammhirn feiert eine Party. Die Botschaft kommt bis zur Tür, aber sie hat die falschen Klamotten an und wird nicht reingelassen.
Jetzt steigt mir auch noch ein Schwall von Emines Parfüm in die Nase, süßlich-betörend, und ich spüre ihre Hand auf meinem Hintern. Ich kann nicht mehr unterscheiden, ob die Drehungen in meinem Kopf oder auf der Tanzfläche stattfinden. Unsere Bewegungen verschmelzen. Die Party in meinem Stammhirn steuert ihrem Höhepunkt entgegen ... Da, plötzlich, ist der Tarkan-Hit »Dudu« zu Ende. Es dauert nur eine knappe Sekunde, bis der nächste Song startet, aber in dieser kurzen Zeitspanne schmuggelt sich die Botschaft an den Türstehern vorbei und dringt endlich durch. Ich reagiere blitzschnell, signalisiere Emine, dass ich aufs Klo muss, und haste von der Tanzfläche.
Sekunden später fülle ich mein Wodka-Red-Bull-Glas mit kaltem Wasser und schütte es mir in die Hose, wo es seine Wirkung tut. Nach der dritten Ladung ist das Blut wieder da, wo ich eshaben wollte: im Gehirn. Jetzt muss ich nur noch meine Hose trocknen, dann ist mein Leben wieder im Gleichgewicht. Sicherlich gibt es heroischere Posen, als sich wie Mr. Bean unter dem Toiletten-Fön einer türkischen Disco in Berlin zu verrenken, aber in diesem Moment empfinde ich anders: Ich bin ein Held. Ich wurde geprüft, und ich habe bestanden. Ich bin nicht nur ein geiler Typ, sondern habe auch noch einen sensationellen Charakter. Ich bin einfach ein unglaublich toller Mensch. Ein moderner Heiliger.
Ich sehe mich im Spiegel an und bin begeistert, wie gut ich aussehe. Kaum zu fassen, dass dieser Hengst es vor ein paar Wochen nicht einmal geschafft hat, mit einer Stewardess zu flirten. Und mein Gang hat den letzten Rest von Woody Allen verloren. Ich habe meine Entwicklung abgeschlossen und bin ein perfekter Mensch geworden. Das muss ich unbedingt meiner Therapeutin erzählen.
23 Und zu irgendwelchen Erklärungen hab ich keinen Bock mehr. Fußnoten sind was für Schattenparker. Mit dem Schwachsinn höre ich ab sofort auf.
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Ich sitze im Haus Müller und warte sehnsüchtig auf Aylin, die endlich wieder in Köln ist, denn ich habe mir einen Plan überlegt: Ich werde Aylin heute verführen. Es wäre einfach grausam, bis zur Hochzeitsnacht zu warten. Und das nur für einen Rosamunde-Pilcher-Effekt. Außerdem: Bei vermutlich weit über 500 Gästen dauert die Party mindestens bis sieben Uhr morgens. Das heißt, wenn alles optimal laufen würde, wären wir um acht im Bett. Wir hätten jeder mindestens zwei Promille und wären von einer durchzechten und durchtanzten Nacht fix und fertig, würden nach Rauch und Schweiß stinken und mit dem Schlaf kämpfen. Wie zum Teufel soll unter diesen Umständen eine romantische erotische Atmosphäre entstehen?
Also ist es eigentlich sogar
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