Macht (German Edition)
gewöhnlich bis zu einer derartigen Eroberung zurückverfolgt werden. In internationalen wirtschaftlichen Beziehungen haben wir noch nicht das Stadium erreicht, das die erste Formierung des Vigilantenausschusses darstellt: Die stärkeren Nationen erpressen einzeln von den schwächeren immer noch Geld durch Androhung des Todes. Das zeigt sich bei den kürzlichen britischen Verhandlungen mit Mexiko in Ölangelegenheiten oder hätte sich vielmehr gezeigt, wenn es nicht die Monroedoktrin gäbe. Ein eindrucksvollerer Beleg waren die Reparationsklauseln des Versailler Vertrags. Aber in den inneren wirtschaftlichen Systemen zivilisierter Länder sind die gesetzlichen Grundlagen verwickelt. Der Reichtum der Kirche beruht auf Tradition; Lohnempfänger haben bis zu einem gewissen Grade von Gewerkschaften und politischen Aktionen profitiert; Frauen und Kinder haben Rechte, die sich auf das moralische Empfinden der Gemeinschaft stützen. Wie immer aber auch die vom Staat geschaffenen wirtschaftlichen Regeln sein mögen – militärische Macht ist im Hintergrund der Szene zu ihrer Verwirklichung notwendig.
Im Falle von Privatpersonen stellen die vom Staat etablierten Regeln den anwendbaren Teil des Gesetzes dar. Dieser wie jeder andere Teil des Gesetzes ist nur wirksam, wenn er von der öffentlichen Meinung getragen ist. Die öffentliche Meinung verurteilt in Übereinstimmung mit dem achten Gebot den Diebstahl und erklärt als Diebstahl das Wegnehmen von Eigentum auf eine vom Gesetz untersagte Weise. So beruht die wirtschaftliche Macht von Privatpersonen letzten Endes auf der öffentlichen Meinung, nämlich auf der moralischen Verurteilung des Diebstahls, die mit einem Gefühl zusammengeht, das den Diebstahl vom Gesetz definieren lässt. Wo dieses Gefühl schwach ist oder nicht existiert, ist das Eigentum in Gefahr. Wir haben gesehen, wie die Macht des Papstes, Leute von der moralischen Verpflichtung des achten Gebotes loszusprechen, ihm ermöglichte, die italienischen Bankiers im dreizehnten Jahrhundert zu kontrollieren.
Wirtschaftliche Macht nimmt innerhalb eines Staates, auch wenn sie sich letztlich von Gesetz und öffentlicher Meinung ableitet, leicht eine gewisse Unabhängigkeit an. Sie kann das Gesetz durch Korruption und die öffentliche Meinung durch Propaganda beeinflussen. Sie kann Politiker unter einen Druck stellen, der ihre Freiheit einschränkt. Sie kann eine Finanzkrise zu verursachen drohen. Aber ihren Möglichkeiten sind sehr deutliche Grenzen gesetzt. Cäsar wurde von seinen Gläubigern zur Macht verholfen, die weiter keinen Weg sahen, ihr Geld wiederzubekommen; als er sich aber durchgesetzt hatte, besaß er Macht genug, um ihrer zu spotten. Karl V. borgte von den Fuggern das Geld, das er brauchte, um sich die Stellung eines Kaisers erkaufen zu können; als er aber Kaiser geworden war, lachte er sie aus, und sie verloren, was sie ihm geliehen hatten. (15) In unseren Tagen machte die Londoner City, die Deutschland bei seinem Wiederaufstieg half, ähnliche Erfahrungen, und ebenso Thyssen, als er Hitler zur Macht verhalf.
Wir wollen für einen Augenblick die Macht. der Plutokratie in einem demokratischen Land betrachten. Sie ist nicht imstande gewesen, asiatische Arbeitskräfte nach Kalifornien oder Australien einzuführen, außer in geringer Anzahl in früherer Zeit. Sie ist nicht imstande gewesen, die Gewerkschaften zu zerstören. Sie ist, besonders in Großbritannien, unfähig gewesen, eine scharfe Besteuerung der Reichen zu vermeiden. Und sie war nicht imstande, sozialistische Propaganda zu verhüten. Dagegen kann sie aus Sozialisten gebildete Regierungen daran hindern, den Sozialismus einzuführen, und wenn diese sich darauf versteifen, kann sie sie durch Herbeiführung einer Krisis und durch Propaganda zum Sturz bringen. Wenn diese Mittel fehlschlagen würden, könnte sie einen Bürgerkrieg entfesseln, um die Errichtung des Sozialismus zu verhindern. Das will besagen, dass da, wo das Problem einfach und die öffentliche Meinung klar bestimmt ist, die Plutokratie machtlos ist. Wo aber die öffentliche Meinung unentschlossen oder durch die Schwierigkeit der Fragestellung unsicher gemacht ist, kann die Plutokratie das erwünschte politische Ergebnis herbeiführen.
Die Macht der Gewerkschaften ist das Gegenstück zur Macht der Reichen. Gewerkschaften können farbige Arbeitskräfte fernhalten, ihre eigene Vernichtung verhindern, beträchtliche Sterbegelder und Einkommensteuern gewährleisten und Freiheit für
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