Macht (German Edition)
dem wirtschaftliche und politische Macht miteinander verschmolzen sind, stellt eine Weiterentwicklung des Systems dar, in dem beide Mächte getrennt sind, genau wie ein Stahltrust einem späteren Stadium angehört als eine Anzahl miteinander konkurrierender kleiner Stahlfabrikanten. Aber ich möchte jetzt noch nicht über den totalitären Staat sprechen.
Der Besitz wirtschaftlicher Macht kann zum Besitz von militärischer oder propagandistischer Macht führen, aber genauso gut kann sich der gegenteilige Prozess vollziehen. Unter primitiven Bedingungen ist militärische Macht gewöhnlich die Ausgangsform der übrigen Arten von Macht, soweit die Beziehungen zwischen verschiedenen Ländern betroffen sind. Alexander war nicht so reich wie die Perser, und die Römer waren nicht so reich wie die Karthager. Aber durch den Sieg im Kriege machten sich in beiden Fällen die Eroberer reicher als ihre Feinde. Die Mohammedaner waren zu Beginn ihrer Erobererlaufbahn viel ärmer als die Byzantiner, und die teutonischen Eindringlinge waren ärmer als das Westreich. In allen diesen Fällen wurde militärische Macht die Wurzel wirtschaftlicher Macht. Aber innerhalb der arabischen Nation leitete sich die militärische und wirtschaftliche Macht des Propheten und seiner Familie von Propaganda ab; das gleiche traf auf die Macht und den Reichtum der Kirche des Westens zu.
Es gibt eine Anzahl Beispiele für Staaten, die ihrer wirtschaftlichen Stärke wegen zu militärischer Macht gekommen sind. Im Altertum ragen hier die griechischen Seestädte und Karthago hervor, im Mittelalter die italienischen Republiken und in der Neuzeit zunächst Holland, später England. Bei all diesen Beispielen, mit der Ausnahme Englands nach der industriellen Revolution, beruhte die wirtschaftliche Macht auf dem Handel, nicht aber auf dem Besitz von Rohstoffen. Manche Städte oder Staaten errangen im Handel eine teilweise Monopolstellung durch eine Verbindung von Geschicklichkeit mit Vorzügen geographischer Natur. (Die letzteren reichten allein nicht aus, wie man aus dem Niedergang Spaniens im siebzehnten Jahrhundert ersehen kann.) Der durch Handel erworbene Reichtum wurde teilweise zum Anwerben von Söldnern gebraucht und wurde so zu einem Mittel zur Erlangung von militärischer Macht. Diese Methode hatte jedoch den Nachteil, dass sie eine ständige Gefahr von Meuterei oder Verrat mit sich brachte; aus diesem Grund lehnt Machiavelli sie ab und empfiehlt Armeen, die aus Mitbürgern gebildet sind. Dieser Rat wäre im Falle eines großen, durch Handel reich gewordenen Landes angebracht, im Falle eines griechischen Stadtstaates oder einer kleinen griechischen Republik war er wertlos. Auf Handel beruhende wirtschaftliche Macht kann nur dann fest sein, wenn sie zu einem großen Gemeinwesen gehört oder zu einem solchen, das eine höhere Zivilisation besitzt als seine Nachbarn.
Immerhin hat der Handel an Bedeutung verloren. Durch die Verbesserung der Verbindungsmittel ist die geographische Lage weniger
wichtig als früher; und infolge des Imperialismus haben die wichtigen Staaten den auswärtigen Handel weniger nötig. Eine hervorstechende Form wirtschaftlicher Macht in internationalen Beziehungen ist heute der Besitz von Rohstoffen und Nahrungsmitteln; und die wichtigsten Rohstoffe sind jene, die im Kriege benötigt werden. So sind militärische und wirtschaftliche Macht kaum noch voneinander zu unterscheiden. Nehmen wir zum Beispiel Petroleum. Ein Land kann nicht ohne Petroleum kämpfen und kann keine Ölfelder besitzen, wenn es nicht kämpfen kann. Die beiden Bedingungen gehören zusammen: Das persische Petroleum war für die Perser nutzlos, weil sie keine entsprechenden Streitkräfte hatten, und die deutschen Armeen werden den Deutschen nichts nützen, wenn sie sich nicht in den Besitz von Petroleum werden setzen können. Eine ähnliche Lage besteht in Bezug auf Nahrungsmittel: Eine machtvolle Kriegsmaschine erfordert einen ungeheuren Abzug nationaler Energien von der Nahrungsmittelproduktion und ist daher von der militärischen Kontrolle weiter fruchtbarer Gebiete abhängig.
Wirtschaftliche und militärische Macht sind in der Vergangenheit niemals so eng miteinander verbunden gewesen wie heutzutage. Keine Nation kann ohne entwickelte Industrialisierung und Zutritt zu Rohstoffen und Lebensmitteln mächtig sein. Dagegen erkämpfen sich Nationen durch den Einsatz militärischer Macht den Zutritt zu solchen Rohstoffen, die auf ihrem eigenen Gebiet nicht zu
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