Macht (German Edition)
erhalten sind. Die Deutschen nahmen sich im Kriege auf dem Wege der Eroberung das Petroleum Rumäniens und das Getreide der Ukraine; und Staaten, die Rohstoffe aus tropischen Gegenden abziehen, halten ihre Kolonien durch eigene militärische Stärke oder durch die ihrer Verbündeten.
Die Rolle der Propaganda in der nationalen Macht hat sich mit der Verbreitung der Erziehung verstärkt. Eine Nation kann im neuzeitlichen Krieg keinen Erfolg haben, wenn nicht die meisten Leute willens sind, zu leiden, und viele Leute willens sind, zu sterben. Um diese Bereitschaft hervorzubringen, müssen die Herrscher ihre Untertanen davon überzeugen, dass der Krieg um einer wesentlichen Sache willen geführt wird – um einer Sache willen, für die das Martyrium sich lohnt. Propaganda war zum großen Teil die Ursache des alliierten Sieges im Kriege und beinahe die alleinige Ursache des sowjetischen Sieges in den Jahren 1918 bis 1920. Es ist klar, dass die gleichen Gründe, die zur Verschmelzung von militärischer und wirtschaftlicher Macht führen, auch einer Vereinigung beider mit der Macht der Propaganda zuneigen. Tatsächlich besteht eine allgemeine Tendenz zur Kombinierung aller Machtformen in einer einzigen Organisation, die notwendigerweise der Staat sein muss. Wenn keine Gegenkräfte auf die Szene treten, wird die Unterscheidung von verschiedenen Formen der Macht bald nur noch von historischem Interesse sein.
Hier müssen wir uns mit einer Ansicht auseinandersetzen, die der Marxismus bekannt gemacht hat, dass nämlich der Kapitalismus dazu neigt, einen Klassenkrieg hervorzubringen, der schließlich über alle anderen Konflikte dominieren würde. Es ist keineswegs leicht, Marx zu interpretieren, aber er scheint gedacht zu haben, dass alle wirtschaftliche Macht in Friedenszeiten den Grundeigentümern und Kapitalisten gehört, die ihre Machtstellung bis zum Äußersten ausnützen und damit das Proletariat zur Revolte bringen werden. Da das Proletariat die gewaltige Mehrheit darstellt, wird es im Krieg den Sieg davontragen, sobald es geeinigt ist, und ein System einführen, das die aus Boden und Kapital stammende wirtschaftliche Macht der Allgemeinheit überträgt. Ob diese Theorie genau diejenige von Marx ist oder nicht – sie ist in Kürze die der heutigen Kommunisten und verdient daher untersucht zu werden.
Die Ansicht, derzufolge alle wirtschaftliche Macht den Grundbesitzern und Kapitalisten gehört, ist zwar im großen und ganzen
richtig und auch von mir vertreten worden, unterliegt aber wichtigen Einschränkungen. Grundbesitzer und Kapitalisten sind ohne Arbeiter hilflos, und Streiks, wenn sie nur von genügender Entschlossenheit und Breite sind, können der Arbeiterschaft einen Anteil an der wirtschaftlichen Macht sichern. Aber die Möglichkeiten des Streiks sind ein allen so vertrautes Thema, dass ich nichts weiter darüber sagen will.
Die zweite Frage, die sich erhebt, lautet: Werden die Kapitalisten in der Tat ihre Machtstellung bis zum Äußersten ausnützen? Wo sie klug sind, handeln sie gerade aus Furcht vor den von Marx vorausgesehenen Folgen nicht so. Wenn sie die Arbeiter am Gewinn teilhaben lassen, können sie sie davor bewahren, revolutionär zu werden; das beste Beispiel hierfür haben wir in den Vereinigten Staaten, wo die qualifizierten Arbeiter im Großen und Ganzen konservativ gesinnt sind.
Die Behauptung, dass das Proletariat die Mehrheit darstellt, kann durchaus bestritten werden. Sie ist bestimmt unzutreffend in Agrarländern, wo der Bauernbesitz vorherrscht. Und in Ländern mit festem Wohlstand sind viele Leute vom wirtschaftlichen Standpunkt aus Proletarier, die politisch auf der Seite der Reichen stehen, weil ihre Arbeit von der Nachfrage nach Luxusartikeln abhängt. Wenn ein Klassenkrieg ausbrechen sollte, ist es daher keineswegs sicher, dass das Proletariat ihn gewinnen würde.
Schließlich empfinden die meisten Leute in einer Krise loyaler gegenüber ihrer Nation als gegenüber ihrer Klasse. Das mag nicht immer der Fall sein, aber wir haben bisher kein Anzeichen für eine Veränderung seit 1914, als fast alle nominellen Internationalisten zu Patrioten und Kriegsschürern wurden. Obwohl der Klassenkrieg für die ferne Zukunft eine Möglichkeit bleibt, ist er dennoch kaum zu erwarten, während die Gefahr nationalistischer Kriege so groß bleibt, wie sie gegenwärtig ist.
Man kann sagen, dass seinerzeit der Bürgerkrieg in Spanien und der Widerhall, den er in anderen Ländern fand, beweisen,
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