Macht (German Edition)
kauft, können nutzlos, das Bier kann schlecht, das Rennen eine Gelegenheit sein, Geld an die Buchmacher zu verlieren. Nichtsdestoweniger erhält er selbst in solchen Fällen etwas von den Organisationen, denen er angehört: Hoffnung, Vergnügen und den Sinn persönlicher Initiative. Der Plan, einen neuen Wagen zu kaufen, gibt einem Menschen etwas zu denken und zu besprechen. Alles in allem ist die Freiheit der Wahl, wie man Geld ausgibt, eine Quelle des Vergnügens – das Interesse für eine eigene Einrichtung ist zum Beispiel ein sehr starkes und weit verbreitetes Gefühl, das nicht existierte, wenn der Staat uns alle mit möblierten Wohnungen ausrüsten würde.
Die Organisationen, denen der Mensch als freiwilliges Mitglied angehört, umfassen politische Parteien, Kirchen, Klubs, wohltätige Gesellschaften, Unternehmungen, in denen er Geld investiert hat, und so weiter. Vielen von diesen stehen gegnerische Organisationen gegenüber, die den gleichen Kategorien angehören: rivalisierende politische Parteien, dissidente Kirchen, Konkurrenzunternehmen. Der sich ergebende Wettkampf gibt denen, die sich an ihm interessieren, das Gefühl dramatischen Geschehens und ist ein Ventil für ihren Machttrieb. Überall, wo der Staat nicht schwach ist, wird ein derartiger Wettbewerb in gesetzlichen Grenzen gehalten, die Strafen für Gewalt oder Betrug vorsehen, wenn es sich nicht um einen geheimen Vorgang handelt. Die Kämpfe zwischen gegnerischen Organisationen sind im ganzen, wenn die Behörden Blutvergießen nicht zulassen, ein nützliches Ventil für Kampfgeist und Machtliebe, die sonst leicht schlimmere Formen der Befriedigung suchen können. Immer besteht die Gefahr, dass politischer Wettbewerb, wenn der Staat schwach oder parteiisch ist, in Unruhe, Mord und Bürgerkrieg ausartet. Wenn aber diese Gefahr ausgeschaltet ist, ist der Wettbewerb ein gesundes Element im Leben des einzelnen und der Gemeinschaft.
Die wichtigste Organisation, deren unfreiwilliges Mitglied der Mensch ist, ist der Staat. Soweit das Prinzip nationaler Zugehörigkeit bestehen geblieben ist, hat es jedoch dazu geführt, dass die Zugehörigkeit zu einem Staat im allgemeinen mit dem Willen des Bürgers übereinstimmt, wenn sie auch nicht von seinem Willen abhängt.
Wäre er nicht leicht ein Reuße,
Türk, Franzose oder Preuße?
Als ein Römer könnt er's treiben.
Wenn ihn Stimmen auch beschwören,
Anderm Volk anzugehören –
Engländer nur will er bleiben.
Die meisten Menschen würden, wenn man ihnen die Gelegenheit gäbe, ihr Land zu wechseln, es nicht tun, außer wenn der Staat eine fremde Nationalität vertritt. Nichts hat den Staat mehr gestärkt als der Erfolg des Nationalitätenprinzips. Wo Patriotismus und Staatsbürgertum Hand in Hand gehen, übertrifft die Ergebenheit eines Menschen gegenüber seinem Staat in der Regel seine Loyalität gegenüber freiwilligen Organisationen wie Kirchen und Parteien.
Ergebenheit für den Staat hat sowohl positive wie negative Ursachen. Es gibt da ein Element, das mit Anhänglichkeit an Heimat und Familie verbunden ist. Aber das würde nicht die der Loyalität gegenüber dem Staat gemäße Form annehmen, wenn es nicht von dem Doppeltrieb der Machtliebe und der Furcht vor dem fremden Angreifer Nahrung erhielte. Der Wettbewerb der Staaten, ungleich jenem unter politischen Parteien, geht ums Ganze. Die ganze zivilisierte Welt war erschüttert, als man das eine Lindbergh-Baby entführte und ermordete, aber derartige Dinge werden in großem Maßstab im nächsten Krieg an der Tagesordnung sein. (23) Keine andere Organisation bringt etwas Ähnliches hervor wie die durch den nationalen Staat erweckte Loyalität. Und die wichtigste Tätigkeit des Staates ist die Vorbereitung des Massenmords. Es ist die Ergebenheit dieser Todesorganisation gegenüber, die Menschen veranlasst, den totalitären Staat zu ertragen und lieber die Zerstörung von Heim und Kindern und unserer ganzen Zivilisation zu riskieren, als sich einer Fremdherrschaft zu unterwerfen. Individualpsychologie und Regierungsorganisation haben eine tragische Synthese hervorgebracht, unter der wir und unsere Kinder leiden müssen, solange wir machtlos einen Ausweg in der Katastrophe suchen.
VIERZEHNTES KAPITEL
WETTBEWERB
D as neunzehnte Jahrhundert, das sich der Gefahren willkürlicher Macht voll bewusst war, hatte ein Lieblingsmittel, um sie zu vermeiden, nämlich den Wettbewerb. Die Nachteile des Monopols waren einem noch von der Vergangenheit her
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