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Macht (German Edition)

Macht (German Edition)

Titel: Macht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bertrand Russell
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vertraut. Die Stuarts und selbst Elisabeth gewährten Höflingen gewinnbringende Monopolstellungen – der Widerstand dagegen war eine der Ursachen des Bürgerkriegs. In feudalen Zeiten war es bei den Landherren üblich, darauf zu bestehen, dass das Korn in ihren Mühlen gemahlen werde. Die kontinentalen Monarchien waren vor 1848 überreich an halbfeudalen Beschränkungen der freien Konkurrenz. Solche Beschränkungen wurden nicht um der Produzenten oder um der Konsumenten willen eingeführt, sondern im Interesse der Monarchen und Landeigentümer. Im England des achtzehnten Jahrhunderts dagegen bestanden noch viele Beschränkungen, die sowohl den Grundbesitzern wie den Kapitalisten unbequem waren – die Gesetze über Mindestlöhne zum Beispiel und das Verbot der Einschließung von Gemeindeland. In England waren daher, bis sich die Frage des Korngesetzes erhob, Grundbesitzer und Kapitalisten im Allgemeinen einer Meinung und befürworteten das Laisser-faire.
    Was in Europa am lebenskräftigsten war, begünstigte auch die freie Konkurrenz in Meinungssachen. Von 1815 bis 1848 waren auf dem ganzen Kontinent Kirche und Staat vereinigt im Kampf gegen die Ideen der französischen Revolution. Die Zensur war in ganz Deutschland und Österreich zugleich scharf und lächerlich. Heine machte sich über sie in einem Kapitel lustig, das aus den folgenden Worten bestand: »Die deutschen Zensoren ....................................... Idioten...«
    In Frankreich und Italien waren die napoleonische Legende wie auch die Bewunderung für die Revolution staatlicher Verfolgung ausgesetzt. In Spanien und im Kirchenstaat war alles liberale Denken, selbst im geringsten Maße, verboten; die Regierung des Papstes glaubte noch offiziell an Zauberei. Das nationale Prinzip durfte in Italien, Deutschland oder Österreich-Ungarn nicht befürwortet werden. Und überall war die Reaktion mit dem Widerstand gegen die Handelsinteressen verbunden, mit der Aufrechterhaltung feudaler Rechte, wie etwa gegenüber der Landbevölkerung, und mit der Unterstützung von närrischen Königen und einer faulen Aristokratie. Unter diesen Umständen war das Laisser-faire ein natürlicher Ausdruck für Energien, die in ihren legitimen Entfaltungsmöglichkeiten behindert waren.
    Die von den Liberalen ersehnten Freiheiten wurden in Amerika im Augenblick der Gewinnung der Unabhängigkeit hergestellt; in England zwischen 1824 und 1846; in Frankreich im Jahre 1871; in Deutschland schrittweise von 1848 bis 1918; in Italien zur Zeit des Risorgimento und selbst in Russland für einen Moment während der Februarrevolution. Aber das Ergebnis war nicht ganz, wie es von den Liberalen beabsichtigt gewesen war; in der Industrie ähnelte es mehr den feindlichen Prophezeiungen von Marx. Amerika, das die längste liberale Tradition hatte, trat zuerst ins Zeitalter der Trusts ein, das heißt von Monopolen, die nicht wie in früheren Zeiten vom Staat gewährt wurden, sondern aus den natürlichen Vorgängen des Wettbewerbs hervorwuchsen. Der amerikanische Liberalismus war empört, aber machtlos, und die industrielle Entwicklung in anderen Ländern folgte allmählich der von Rockefeller eingeschlagenen Bahn. Man entdeckte, dass die Konkurrenz, sofern sie nicht auf künstlichem Wege aufrechterhalten wird, sich selbst vernichtet, indem sie zum völligen Siege eines Konkurrenten führt.
    Das trifft allerdings nicht auf alle Formen des Wettbewerbs zu. Es stimmt, mit wenigen Worten gesagt, dann, wenn der Größenzuwachs einer Organisation einen Zuwachs an Wirkung bedeutet. Es bleiben daher zwei Fragen, zunächst: In welchen Fällen ist Konkurrenz technisch verderblich, zweitens: In welchen Fällen ist sie aus nichttechnischen Gründen wünschenswert?
    Technische Erwägungen haben, kurz gesagt, zu einem Anwachsen der einer Behandlung gegebener Sachen zuträglichen Optimalgröße von Organisationen geführt. Im siebzehnten Jahrhundert wurden Straßen von Kirchspielen in Ordnung gehalten; heutzutage werden sie von den Landräten kontrolliert, die zum großen Teil vom Staat finanziert und überwacht werden. Elektrizität kann am besten von einer Behörde ausgenützt werden, die ein beträchtliches Gebiet beherrscht, besonders wenn es eine wichtige Kraftquelle gibt, wie etwa den Niagara. Bewässerung kann ein Werk wie den Assuandamm erfordern, dessen Kosten untragbar sind, sofern das betreffende Gebiet nicht sehr umfangreich ist. Großproduktion hängt von der Kontrolle über einen Markt ab, der

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