Macht (German Edition)
All das ist ein Trick, so sehr instinktiv und unbewusst er auch sei, um die väterliche Macht über die ersten Jahre, in denen Kinder noch hilflos sind, hinaus zu verlängern. Die Autorität der Eltern ist natürlich durch ihren Besitz vermehrt worden, hätte aber nicht die Verehrung der Eltern bestanden, so würden junge Männer ihren Vätern nicht erlaubt haben, als schwache Alte noch ihre Herden zu kontrollieren.
Das gleiche geschah in Bezug auf die Unterordnung der Frauen. Die größere Stärke männlicher Tiere führt in den meisten Fällen nicht zur ständigen Unterwerfung der Weibchen, weil die Männchen über keine genügende Beständigkeit verfügen. Unter menschlichen Wesen ist die Unterwerfung der Frauen auf einem gewissen Stand der Zivilisation vollkommener als bei Wilden. Und die Unterwerfung wird immer von der Moral gestärkt. »Ein Mann«, sagt Paulus, »ist das Abbild und der Ruhm Gottes, aber das Weib ist der Ruhm des Mannes. Denn der Mann kommt nicht vom Weibe her; aber das Weib kommt vom Manne her. Noch war der Mann um des Weibes willen gemacht, sondern das Weib um des Mannes willen.« (Korinther XI, 7-9) Daraus folgt, dass Frauen ihren Männern zu gehorchen haben und (lass Untreue bei einer Frau eine schwerere Sünde ist als bei einem Manne. Das Christentum stellt allerdings theoretisch fest, dass Ehebruch bei beiden Geschlechtern gleichermaßen eine Sünde darstellt, da er eine Sünde wider Gott sei. Aber diese Ansicht hat sich in der Praxis nicht durchgesetzt und wurde in vorchristlicher Zeit nicht einmal theoretisch vertreten. Ehebruch mit einer verheirateten Frau war verwerflich, weil er eine Beleidigung für ihren Gatten darstellte; aber weibliche Sklaven und Kriegsgefangene waren das legitime Eigentum ihrer Herren, und der Verkehr mit ihnen war nicht schändlich. Diese Ansicht vertraten fromme christliche Sklavenhalter, wenn auch nicht ihre Frauen, noch im Amerika des neunzehnten Jahrhunderts.
Die Grundlage für den Unterschied zwischen einer Moral für Männer und einer Moral für Frauen war offenbar die überlegene Macht der Männer. Ursprünglich war diese Überlegenheit rein physischer Art, aber sie wuchs von dieser Grundlage stufenweise ins Wirtschaftliche, Politische und Religiöse hinein. Der große Vorteil der Moral gegenüber der Polizei erscheint in diesem Falle klar vor unseren Augen, denn die Frauen glaubten bis vor kurzer Zeit durchaus an die Prinzipien, die die männliche Herrschaft sicherten, und erforderten daher viel weniger Zwang als anderenfalls notwendig gewesen wäre.
Das Gesetzbuch des Hammurabi zeigt auf interessante Weise, wie bedeutungslos die Frauen in den Augen des Gesetzgebers waren. Wenn ein Mann die schwangere Tochter eines Herrn schlägt und sie an den Folgen stirbt, so ist angeordnet, dass die Tochter des Schlägers getötet werde. Was den Herren und den Schläger anbelangt, so ist dies gerecht; die Tochter, die hingerichtet wird, ist lediglich ein Besitz des letzteren und hat von sich aus keinen Anspruch auf Leben. Und durch die Tötung der Tochter des Herrn macht sich der Schläger einer Übertretung schuldig, nicht ihr gegenüber, sondern gegenüber dem Herrn. Die Töchter hatten keine Rechte, weil sie keine Macht hatten.
Könige waren bis zu Georg I. Gegenstand religiöser Verehrung.
Solch Göttlichkeit umgibt den König, dass
Verrat sich ihm nur grade zeigen kann,
Doch kaum vollbringen, was er will.
Das Wort »Verrat« hatte selbst in Republiken den Geruch von Gottlosigkeit. In England schlägt die Regierung aus der Tradition des Königtums großen Gewinn. Viktorianische Staatsmänner, selbst Mr. Gladstone, hielten es für ihre Pflicht gegenüber der Königin, darauf zu achten, dass sie niemals ohne einen Ministerpräsidenten blieb. Die Pflicht zum Gehorsam gegenüber der Behörde wird von vielen noch als Pflicht gegenüber dem Herrscher empfunden. Dieses Gefühl ist im Schwinden begriffen, aber mit seinem Schwinden wird die Regierung weniger stabil und die Möglichkeit von Diktaturen der Rechten oder Linken wächst.
Bagehot's »English Constitution« – ein noch immer lesenswertes Buch – beginnt die Auseinandersetzung über die Monarchie folgendermaßen:
»Die Einsetzung einer Königin mit all der Würde, die ihr eigen, ist von unschätzbarem Wert. Wenn es in England sie nicht gäbe, würde die gegenwärtige englische Regierung versagen und verschwinden. Die meisten Leute glaubten, wenn sie lasen, dass die Königin auf den Hängen von
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