Macht: Geschichten von Erfolg und Scheitern (German Edition)
Masse erheben. Aber er erklärt zugleich die Entzauberung, die Entfernung vom Ursprünglichen. Auch von der reinen Freude am gelungenen Sprung.
Zum Genuss oder zum Glücksempfinden bleibt oft keine Zeit, weil selbst der Erfolg nach einer Erklärung verlangt, nach öffentlich geteilten Gefühlen und spektakulären Bildern. Magdalena Neuner, Deutschlands Biathlonheldin mit dem Engelsgesicht, hat dieser Befremdung für sich nur mit dem Ausstieg begegnen können. Als ihr selbst ein Olympiasieg nichts mehr bedeutete, weil die eigene Bedeutung zu schwer auf ihr lastete, verkündete sie mit fünfundzwanzig Jahren lächelnd ihr Karriereende.
Für all diejenigen, die sich vor dem Fernseher über deutsche Medaillen und geliehenen Gesprächsstoff freuen, wird nur das andere Bild erkennbar. Das des bewunderten Helden, der für Ruhm und Reichtum springt, schießt und rennt und ein privilegiertes Leben führt. Und dabei die Spielfreude verliert, die ganz früher der erste Antrieb war. Oft habe ich mich darüber gewundert, dass Männer, die sich den Kindheitstraum beinahe jedes kleinen Jungen erfüllt haben und im Trikot ihres Lieblings- oder wenigstens eines Profivereins in der Kabine sitzen, ihr Spiel plötzlich als Last empfinden, die Begeisterung nach und nach aus den Augen schwindet.
Von außen betrachtet strebt der Herausragende zwangsläufig nach Popularität und Exponierung: »Die haben sich das doch so ausgesucht«, oder »dafür haben sie Millionen auf dem Konto«, sind die obligatorischen Parolen beim Sichtbarwerden leidvoller Aspekte überbordender Aufmerksamkeit. Oftmals führen diese erwartbaren Reaktionen zum Schweigen der Betroffenen. Zur Akzeptanz inakzeptabler Bewertung, zur Inkaufnahme oder zum Vertuschen der Auswirkungen des unaushaltbaren Drucks. In den seltensten Fällen ist zu Beginn einer Laufbahn vorhersehbar oder gar angestrebt, dass aus der Begabung überragende Erfolge und damit publizistisches Interesse und unbegrenzte Vereinnahmung folgen. Diejenigen, die nichts suchen als Öffentlichkeit und schnellen Ruhm, sind die, die parasitäre Beziehungen suchen oder in Castingshows um Beachtung buhlen. Selten jedoch die, deren Idealismus, Talent oder Gestaltungswille sie frühzeitig prägt und auf Basis derer sie eine belastbare Karriere aufbauen. Steffi Graf ist ein Beispiel für die Last der Durchleuchtung und Bewunderung, die zum anhänglichen Begleiter und im Laufe ihrer Karriere zum unüberwindbaren Gegner der Freude am Tennis wurde. Irgendwann war die Anstrengung nicht mehr nur in ihrem Gesicht, sondern auch in ihrem Spiel ablesbar. Ihr Mann Andre Agassi, zeitgleich mit ihr Nummer 1 der Weltrangliste, bringt diese abseitigen Phänomene der Popularität in seiner vielbeachteten Biographie »Open« mit dem Satz: »Ich hasse Tennis« auf den Punkt. Wie schwer Steffi Graf die Überwindung ihrer Schüchternheit aufgrund der ständigen Präsenz von Journalisten, Fotografen und distanzloser Fans während ihrer phantastischen Tennis-Ära tatsächlich gefallen ist, hat sie erst im Rückblick offen bekannt. Und durch die Zurückgezogenheit ihres nun selbstgewählten Lebens unterstrichen.
Ganz ohne Frage gibt es auch die anderen Beispiele. Diejenigen, die angesichts der Vorzeichen des Ruhmes in Ekstase über sich selbst geraten. Die beim Hecheln nach Anerkennung die Aufgabe aus dem Blick verlieren. Der Gefahr der Realitätsverzerrung erliegen. Es sind diese Beispiele, die das öffentliche Bild dominieren. Aber es bedarf der Bereitschaft zur Unterscheidung und zum genaueren Hinschauen, um die Dynamik der Popularität zu erkennen, die beinahe jeder anfangs freundlich begrüßt, auf seine Weise an einer Stelle befördert und an einer anderen durchbricht.
Manchmal misslingt die Verortung der eigenen Bedeutung, manchmal die Entschlüsselung der »Déformation professionelle«, weil die Rolle im Außen so selbstverständlich interpretiert oder gar gefordert wird.
Die Insignien des Erfolges sind verlockend und in vielen Biographien sind es deren drogengleiche Wirkung, die zu besonderer Leistung und auch zum Verlust der Leichtigkeit führen, der Ursprung herausragender Karrieren sind sie jedoch in der Regel nicht.
Als Ron Sommer als junger Mann durch New York schlenderte, orientierungslos auf den Boulevards und im Blick auf seine Zukunft, ausgestattet mit dem »falschen Studium« für das, was ihn tatsächlich interessierte, galt sein erster Ehrgeiz festem Schuhwerk. Im stetigen Anblick der Geschichte des
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