Macht: Geschichten von Erfolg und Scheitern (German Edition)
selbst nicht fühlbar sind. Oder aufgewogen werden durch Anerkennung, Erfolg oder einfach die ganz eigene Zufriedenheit. Zumindest für eine Zeit.
Als begünstigender Karrierebegleiter spielen Vorbilder bei meinen Gesprächspartnern nahezu keine Rolle. Zumindest für den Zeitpunkt, an dem Weichen gestellt werden, ist der Stellenwert einer einzelnen Orientierungsperson gering. Erst in der Retrospektive wird dem Werdegang, oft zum Zwecke der Aufhübschung, das passende Idol hinzugefügt. So fühlen sich Generationen von Politikern je nach Gesinnung beeinflusst von Konrad Adenauer oder Willy Brandt. Als Impulsgeber mehr denn als Vorbildfigur werden Eltern genannt, zumeist Väter, die das charakterliche Rüstzeug für die Ausbildung des Talentes erzieherisch geformt haben.
Udo Röbel ist ohne leiblichen Vater groß geworden. Sein Rüstzeug für eine spektakuläre Reporterkarriere war das lebensbegleitende Ringen um Anerkennung. Aufgewachsen in den fünfziger Jahren mit einer alleinerziehenden Mutter in der »unteren Mittelschicht« und mit dem quälenden Gefühl, eine Belastung zu sein, erlebt sich der ehemalige Bild -Chefredakteur als »ein ungewolltes Kind, das immer um seinen Stellenwert und Liebe kämpfen musste«. Diese Prägung hat sich manifestiert. Zwei Möglichkeiten habe er gehabt: zu verkümmern oder Knöpfe zu drücken. Er hat sich für die zweite, aktive Variante der Lebensgestaltung entschieden. Doch das Defizit ist immer sein Antrieb geblieben. Journalismus sollte ihm Ruhm und Ehre bringen. Und ein vernünftiges Auskommen, zur Linderung seiner von klein auf erlernten Existenzangst.
Ein Beispiel von vielen aus Milieus mit einer wirtschaftlich gebeutelten Nachkriegskindheit. Der Wunsch, etwas Besseres zu erreichen, unabhängig zu sein, Ansehen zu genießen, motiviert zu enormer Leistungsbereitschaft. Und einer erheblichen Härte gegen sich selbst.
Die zugrundeliegende Angst und das Gefühl von Unzulänglichkeit sind ein wichtiger Treiber für herausragende Karrierewege. Der Mangel verlangt nach Kaschierung durch überdurchschnittlichen Einsatz. Oft ist das die Grundlage besonderen Formates. Allerdings kann aus der eigenen Antastbarkeit und der Fragilität des Selbstwertes auch eine verhängnisvolle Überkompensation entstehen.
Im Sport sind es oft die von Zweifeln, kritischer Reflexion und Nachdenklichkeit Getriebenen, die hohe Ziele erreichen, weil sie ihre Form präzise analysieren und akribisch an ihren Schwächen zu arbeiten bereit sind. Um jedoch dauerhaft ganz an der Spitze zu stehen und den Erfolg und seine Begleiter dabei uneingeschränkt genießen zu können, braucht es eine Angstfreiheit, die gewisse Bewusstseinsprozesse auszuschalten vermag.
Rudi Kargus, ehemaliger Meistertorwart des Hamburger SV, inzwischen als Künstler erfolgreich und dem Profifußballgeschäft trotz aller Titel und Rekorde in liebevoller Distanz verbunden, ist nachhaltig beeindruckt von einer trefflichen Beobachtung der wortkargen Trainerlegende Branco Zebec: »Ich war immer ein Zweifler, in diesem zweifelsfreien Geschäft, auch wenn es niemand bemerkt hat, niemand merken sollte, damit ich nicht noch mehr zum Sonderling wurde. Einmal sagte mein Trainer Zebec während einer Trainingseinheit in ungewohnter persönlicher Hinwendung zu mir: ›Rudi, bist du sensibel, ist schlecht für Fußball, aber ist gut für Leben.‹«
Außergewöhnliche Fähigkeiten, eine identifizierte Leidenschaft, die Freiheit und der Mut, ihr zu folgen, sind die Ausgangspunkte eines Weges, auf dem auch der Zufall ein gewichtiger Starthelfer sein kann. Konkrete Wegweiser einer zwangsläufigen Karriere finden sich vor allem bei Politikern. Halbstarke »Ich will die Welt verbessern«-Attitüden oder auch feinere ideologische Positionen suchen nach Gesinnungsgenossen und münden oft frühzeitig in Ämtern und Parteistrukturen. Vor allem bei der Generation von Politikern, die von Eltern großgezogen wurden, die durch das Erleben von Kriegen und »totalitären Regimen« oder Demokratiebewegungen und epochalen Gesellschaftsreformen geprägt sind.
Aufgewachsen mit einem Vater, der zu den Gründern der CDU gehörte, wurde der langjährige Hamburger Bürgermeister Ole von Beust von klein auf politisch und auch parteipolitisch sozialisiert. Er war zehn Jahre alt, als ihn die täglichen häuslichen Wohnzimmerdebatten, zumeist über Nazideutschland und die daraus resultierende Pflichtschuldigkeit des Einzelnen, herausforderten, seinen Beitrag zum Wohl der
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