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Macht Musik schlau?

Macht Musik schlau?

Titel: Macht Musik schlau? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lutz Jäncke
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aufzubauen. Je facettenreicher diese Struktur, desto besser ist die Abrufleistung. In diesem Zusammenhang kann auch Musik eingesetzt werden. In Form von Reimen werden musikalische bzw. rhythmische Elemente sehr häufig zur Steigerung des Lernerfolgs genutzt (z.B.
drei-drei-drei – bei Issos Keilerei; sieben-fünf-drei – Rom schlüpft aus dem Ei)
. Es können jedoch auch komplexere Musikelemente als Gedächtnishilfen und Hinweisreize eingesetzt werden (z.B. Töne, Rhythmen oder gar bestimmte Musikphrasen). Wir haben dies im Zusammenhang mit der Rehabilitation von Kindern mit einer Lese-Rechtschreib-Schwäche zu nutzen versucht. Dabei haben wir im Rahmen eines Computertrainings die Kinder angehalten, bestimmte Phoneme und Grapheme mit Tönen und Rhythmen zu koppeln. Nach einem zweimonatigen Training hatten sich die Rechtschreibfehler um 25 bis 30 % verringert (Jäncke, Meyer, Kast, Vögeli und Gross, 2007).

    Abbildung 46: Schematische Darstellung des 2. Experimentes von Wallace (1994). Dargestellt sind die Abrufleistungen in % der korrekt erinnerten Wörter eines Textes, der entweder vorgesungen oder rhythmisch akzentuiert vorgelesen wurde. Die Gedächtnisleistungen wurden im Rahmen von verschiedenen Lerndurchgängen (Durchgang 1 bis 5) nach dem Vorsingen oder rhythmisch akzentuierten Vorlesen überprüft. Der Abruf fand 20 Minuten ( verzögert ) nach dem letzten Lerndurchgang statt.
    5.3.4
    Andere Erklärungen
    Das oben dargestellte kontextabhängige Gedächtnis ist sicherlich eine interessante Möglichkeit, bessere Lernleistungen im Zusammenhang mit Musikpräsentationen zu erklären. Insbesondere dann, wenn die gleiche (oder ähnliche Musik) während des Lernens und des Abrufs präsentiert wird. Allerdings vermag dieses Modell nicht alle möglichen Effekte gleichermaßen befriedigend zu erklären. Welche weiteren Erklärungsmöglichkeiten bieten sich an? Im Grunde kann ich derzeit nur zwei ernsthafte weitere «Kandidaten» erkennen. Dies sind 1. ein verändertes Hirnaktivierungsmuster, das möglicherweise mit einem bestimmten Bewusstseinszustand gekoppelt sein könnte, und 2. ein angenehmer emotionaler Zustand, der das Lernen unspezifisch fördert.
    Betrachten wir zunächst den möglichen Einfluss grundlegender Hirnaktivierungsmuster auf Lernen und Gedächtnis. Nehmen wir einmal an,Sie sind einer Situation ausgesetzt, die Ihnen missfällt und in der Sie unangenehme Gefühle empfinden. Was machen Sie dann? In der Regel werden Sie sich so rasch wie möglich dieser Situation entziehen. Das heißt, sie werden sich abwenden, fliehen und die Situation vermeiden. Lernen werden Sie in dieser Situation nur wichtige Hinweisreize, die schnell und unmissverständlich solche und ähnliche Situationen signalisieren. Oder Sie werden all das lernen, was Ihnen geholfen hat, sich schnell dieser unangenehmen Situation zu entledigen. Ihr Gehirn wird sich in solchen Situationen eher «ablehnend» verhalten und quasi in «Wartestellung» verharren, um gegebenenfalls schnelle Vermeidungsreaktionen einzuleiten. Konkret bedeutet dies, dass Sie in gefährlichen Situationen sehr wahrscheinlich Schwierigkeiten haben werden, effizient die ersten Verse von Goethes Faust oder Vokabeln zu lernen. Das bedeutet, dass viele Informationen keinen Zugang zu unserem Bewusstsein erlangen. Sie werden herausgefiltert oder gar «abgewehrt», denn das Gehirn benötigt sehr viele Kapazitäten, um die unangenehme und potenziell gefährliche Situation schnell und effizient zu meistern (engl.:
environmental rejection
). Anders ist es, wenn Sie sich in höchst angenehmen Situationen befinden. Hier werden Sie sich entspannen und müssen Flucht- und Kampfmechanismen nicht aktiviert halten. Ihr Gehirn befindet sich nun in der vergleichsweise luxuriösen Situation, sich «gehen» zu lassen und sich entspannt der detaillierten Informationsaufnahme hinzugeben. Hiermit meine ich nicht den Schlaf- oder Döszustand, sondern einen Zustand, der eher als
entspannte Aufmerksamkeit
zu beschreiben ist. Dieser Zustand ist mittlerweile recht gut mittels moderner bildgebender Methoden beschrieben worden. Besonders eindrücklich sind jene Befunde, welche mit der EEG-Technologie gewonnen worden sind. Diese Technik erlaubt die Registrierung der elektrischen Hirnwellen. Dies sind sich rhythmisch verändernde elektrische Aktivitäten des Gehirns,

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