Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Macht Musik schlau?

Macht Musik schlau?

Titel: Macht Musik schlau? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lutz Jäncke
Vom Netzwerk:
Zusammenhang mit Musikdarbietungen von großer Bedeutung ist (Wallace, 1994). Und zwar ist dies ein Experiment, in dem Texte bzw. Textinhalte (Verse bestehend aus 80 bis 85 Wörtern) zu lernen waren, die entweder vorgesprochen oder vorgesungen wurden. Die gesungenen oder gesprochenen Verse wurden insgesamt dreimal nacheinander dargeboten. Danach erfolgte unmittelbar nach dem Lernen (immediate recall) und nach einer kurzen Pause von 20 Minuten (engl.:
delayed recall
) eine Überprüfung, was sie von diesen Texten behalten hatten. Die Versuchspersonen waren angehalten, die Texte möglichst wortgetreu aus dem Gedächtnis niederzuschreiben. Bei allen Gedächtnistests zeigte sich, dass sich die Versuchspersonen an Textinhalte der gesungenen Verse sowohl unmittelbar nach dem Lernen als auch einige Zeit später besser erinnern konnten als an die vorgesprochenen Verse (s. Abb. 45 ). Um zu überprüfen, ob der allgemeine (und aus vielen Facetten bestehende) musikalische Hintergrund oder nur Teilaspekte des gesungenen Textes (z.B. der Rhythmus) für den Lernerfolg verantwortlich sind, hat die Autorin mehrere Kontrollexperimente durchgeführt. Hierzu hat ein Sprecher die zu lernenden Verse mit deutlicher Betonung gesprochen, so dass betonte und unbetonte Wort- und Satzelemente deutlicher und kontrastreicher wahrgenommen wurden. Gleichzeitig hörten die Testpersonen im Hintergrund einen regelmäßigen Rhythmus. Erstaunlicherweise waren die Gedächtnisleistungen für gesungen vorgetragene Verse immer noch deutlich besser als die allein rhythmisch gesprochenenVerse (s. Abb. 46 ). In einem weiteren Experiment belegte die Kollegin eindrücklich, dass die häufige Wiederholung des gesungenen Textes immer mit derselben Melodie den Lernerfolg steigert. Seltenes oder gar einmaliges Hören eines gesungenen Textes dagegen führt noch lange nicht zu einer Lernsteigerung. Die Erklärung dieser Ergebnisse fällt uns natürlich mit dem Modell des kontextabhängigen Gedächtnisses sehr leicht. Die Versuchspersonen können die Textinhalte konsistent mit einer ganz bestimmten Melodie koppeln, so dass die Gedächtnisstruktur für den gelernten Text gefestigt wird. Zur Erinnerung: Die Gedächtnisstruktur eines Gedächtnisinhaltes hängt von der Anzahl der mit diesem Inhalt gekoppelten Informationen ab. Je mehr man also mit dem Inhalt sicher und konsistent koppelt, desto stabiler ist der Gedächtnisinhalt.

    Abbildung 45 : Schematische Darstellung der Befunde von Wallace (1994). Dargestellt sind die Abrufleistungen in % der korrekt erinnerten Wörter eines Textes, der entweder vorgesungen oder vorgelesen wurde. Die Gedächtnisleistungen wurden im Rahmen von verschiedenen Lerndurchgängen (Durchgang 1 bis 5) unmittelbar nach dem Vorlesen oder Vorsingen überprüft. Der verzögerte Abruf fand 20 Minuten nach dem letzten Lerndurchgang statt.
    Diese Befunde zeigen eindrücklich, dass das Modell des kontextabhängigen Gedächtnisses viele der bislang berichteten «leistungssteigernden» Effekte von Musik oder ähnlichen Stimulationen auf unser Gedächtnis sehr gut erklären kann. In diesem Zusammenhang darf nicht außerAcht gelassen werden, dass wir uns Hinweisreize und Kontextinformationen auch sehr gut mental vorstellen können. Dies ist im Übrigen eine bekannte Strategie, die Gedächtnisleistungen zu verbessern. Wir nennen es Mnemotechnik 36 . Schon griechische und römische Philosophen haben darauf hingewiesen und verschiedene Varianten dieser Techniken vorgeschlagen. Eine Reihe von Varianten dieser Techniken werden auch noch heute gelehrt und angewendet. Im Rahmen der Mnemotechniken werden verschiedenste Merkhilfen (Eselsbrücken) entwickelt, z.B. als Merksatz, Reim, Schema oder Grafik. Neben kleinen Merkhilfen gehören zu den Mnemotechniken aber auch komplexe Systeme, mit denen ganze Bücher oder Listen mit Tausenden von Wörtern oder tausendstelligeZahlen sicher auswendig gelernt werden können (Karsten und Kunz, 2003). Wesentlich ist, dass mittels verschiedener Mnemotechniken das zu lernende Material fest in einer Gedächtnisstruktur verankert wird. Hierbei wird mit Fantasie, Visualisierung, Logik, Emotion, Transformation, Lokalisation und Assoziationen gearbeitet. Im Prinzip sollen diese mnemotechnischen Elemente genutzt werden, um eine feste Gedächtnisstruktur mit Hinweisreizen und Kontexten um das zu lernende Element herum

Weitere Kostenlose Bücher