Macht Musik schlau?
welche in bestimmten Frequenzbereichen «schwingen» (in der Fachsprache nennen wir das
oszillieren
). Im Zustand entspannter Aufmerksamkeit dominiert der Frequenzbereich von 8â12 Hz (diesen Bereich bezeichnen wir als Alphaband) respektive 3â8 Hz (diesen Bereich bezeichnen wir als Thetaband). Diese beiden Frequenzbänder sind für das Lernen und verschiedene Gedächtnisfunktionen von herausragender Bedeutung (Klimesch, 1999; Klimesch, Doppelmayr und Hanslmayr, 2006). Vor dem Lernen müssen bestimmte Hirngebiete ein bestimmtes elektrisches Schwingungsmuster aufweisen, das im Wesentlichen dadurch gekennzeichnet ist, dass das Alphaband mit hoher Intensität vorliegt. Wenn der Lernvorgang unddie Gedächtniskonsolidierung eingeleitet werden, müssen jedoch Teile des Gehirns ihr Schwingungsmuster verändern, wobei das Thetaband an Energie zunehmen muss, damit das Lernen und Konsolidieren effizient voranschreitet. Dieses sich ändernde zeitliche Hirnaktivierungsmuster muss nicht unbedingt global das ganze Gehirn erfassen. Es kann durchaus auch lokal über ganz bestimmten Hirngebieten auftreten. Man kann mittlerweile mit modernen Techniken das Hirnaktivierungsmuster quasi von auÃen beeinflussen. Hierzu benutzt man unter anderem die transkranielle Magnetstimulation (TMS). Mit dieser Methode kann man sehr schnell starke Magnetfelder mittels einer speziellen Anordnung (dies ist eine Spule, welche an den Schädel angebracht ist) an- und abschalten. Durch das An- und Abschalten der Magnetfelder wird das Hirngewebe unter der Spule elektrisch erregt und in ein Schwingungsmuster «gezwungen», das der An- und Abschaltfrequenz des Magnetfeldes sehr ähnlich ist. Diese Technik haben der Salzburger Neuropsychologe Walter Klimesch und der Hamburger Neurologe Christian Gerloff in einem spektakulären Experiment eingesetzt (Klimesch, Sauseng und Gerloff, 2003). Die Wissenschaftler haben mit der TMS-Technik dem Scheitellappen ein Schwingungsmuster von 10â12 Hz (also das Alphaband) «aufgezwungen». Von dem so behandelten Scheitellappen weià man, dass er insbesondere psychische Prozesse steuert, die für das Bearbeiten von räumlichen Aufgaben notwendig sind. Nachdem das oben erwähnte Aktivitätsmuster durch die TMS-Stimulation im Scheitellappen ausgelöst worden war, nahmen die Leistungen bei räumlichen Aufgaben deutlich zu. Ãhnliches ist auch für das verbale Arbeitsgedächtnis nach entsprechender «Vorbereitung» bzw. Stimulation des Stirnhirns berichtet worden.
Ãberträgt man diese Befunde auf das Thema dieses Buches und insbesondere auf das Thema dieses Kapitels, liegt die Vermutung nahe, dass bestimmte Musik (analog zur TMS-Stimulation) einen Probanden in einen optimalen Aktivierungszustand versetzt, der das Lernen des nachfolgenden Materials begünstigt. Einen ersten Hinweis, dass dies durchaus möglich ist, konnten kürzlich David Peterson und Michael Thaut von der Colorado State University in den USA publizieren. Sie haben nämlich die elektrische Aktivität des Gehirns während des Lernens von gesungenen oder vorgesprochenen Wörtern untersucht. Interessanterweise konnten sie zeigen, dass bei der gesungenen Präsentation der zu lernenden Wörter insbesondere im Stirnhirn ein Aktivitätsmuster festgestellt werden konnte, das für das optimalere Lernen typisch ist (Peterson und Thaut, 2007). Die Kollegen konnten nämlich vermehrte EEG-Oszillationen imThetaband messen (3â8 Hz), wenn die zu lernendende Information vorgesungen und nicht vorgelesen wurde. Es zeigte sich in diesem Experiment zwar kein Verhaltensunterschied, denn die Lernleistungen war für die vorgesungenen und vorgelesenen Wörter identisch. Man erkennt allerdings, dass das Gehirn die Aufgabe unterschiedlich bewältigt. Man dürfte vermuten, dass bei komplexerem Lernmaterial oder bei anderen Versuchspersonen sich auch die Lernleistung erheblich verbessert hätte.
Eine weitere Möglichkeit zur Erklärung von potenziellen Einflüssen von Musik auf das Lernen von verschiedenen Inhalten könnten die durch die Musik hervorgerufenen Emotionen sein. Wir wissen schon seit langem, dass insbesondere angenehme Emotionen das Lernen günstig beeinflussen. Allerdings haben auch unangenehme Emotionen unter bestimmten Bedingungen einen leistungssteigernden Einfluss auf das Gedächtnis. In Kapitel 6 werde ich deshalb den Zusammenhang zwischen
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