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Macht Musik schlau?

Macht Musik schlau?

Titel: Macht Musik schlau? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lutz Jäncke
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(rechts)
7
Cerebellum (Kleinhirn) (links)
automatisierte motorische Handlungen

    Abbildung 62: Darstellung der Hirngebiete, die in der Studie von Gaser und Schlaug (2003) eine größere Dichte der grauen Substanz bei Musikern als bei Amateurmusikern aufwiesen. Außerdem wiesen Amateurmusiker in diesen Hirngebieten eine größere Dichte der grauen Substanz auf als Nichtmusiker. Siehe auchTabelle 4 zur Erklärung der unterschiedlichen Hirngebiete.
    10.4
    Reifung und Hirnplastizität
    Wie ich bereits angedeutet habe, ist das menschliche Gehirn in den ersten 20 Jahren einem biologischen Reifungsprozess unterworfen, der möglicherweise quasi «von innen heraus» angetrieben wird. Im Zugedieses Reifungsprozesses durchläuft das Gehirn verschiedene Entwicklungsstadien. So nimmt das Hirngewicht in den ersten fünf bis sechs Lebensjahren um das Dreifache von 400 Gramm auf zirka 1200 Gramm zu. In den nächsten 15 Jahren verändert sich dagegen das Hirngewicht im Vergleich zu den ersten fünf Lebensjahren vergleichsweise wenig um nicht mehr als 150 Gramm. Trotzdem vollziehen sich gewaltige Veränderungen, die sich nur im Rahmen einer Detailanalyse offenbaren. Bis zur Pubertät nimmt das Volumen der grauen Substanz rapide zu und überschreitet teilweise das Volumen, das man im Erwachsenenalter messen kann. Es liegt offenbar ein Überschuss an grauer Substanz vor. Nachdem die graue Substanz bei Jugendlichen weit über das Volumen der grauen Substanz von Erwachsenen angewachsen ist, vollzieht es eine Kehrtwendung und nimmt dann rasch wieder ab. Derzeit wird dieser «merkwürdige» Wachstumsschub der grauen Substanz, der von einer späteren Abnahme gefolgt ist, als eine Zunahme von Nervenverzweigungen und Verbindungen interpretiert. Nachdem der «Höhepunkt» dieses Wachstums in der Pubertät erreicht worden ist, wird das Gehirn quasi auf das Notwendigste zurückgestutzt. Das Gehirn reduziert das Volumen der grauen Substanz auf das Notwendige, es beginnt sich zu spezialisieren. Hierbei wird der Um- und Abbauprozess gemäß dem grundlegenden Prinzip «nur was gebraucht wird, bleibt erhalten» durchgeführt. Nur: Wer entscheidet, was gebraucht wird und was nicht? Die Antwort ist verblüffend einfach und dennoch spektakulär: Nervenzellen, ihre Verzweigungen, Synapsen und Dendriten wachsen und gedeihen einfach deshalb, weil sie besonders häufig benutzt werden. Insofern haben Erfahrungen (gute wie schlechte) einen ungemein wichtigen Einfluss auf die Hirnentwicklung von Teenagern. Nicht nur die graue Substanz ändert sich bis zum 20. Lebensjahr, sondern auch die weiße Substanz mit ihren Axonen (Axon = zentraler Teil einer Nervenfaser) und Synapsen. Nur die häufig genutzten Axone optimieren sich, was insbesondere dadurch geschieht, dass sie einen Fettmantel (Myelin) bilden. Die Dicke dieses Fettmantels bestimmt, wie schnell die elektrischen Informationen zwischen den Nervenzellen hin- und hergeschickt werden können. Diese erfahrungsbedingten anatomischen Veränderungen spielen sich in den unterschiedlichen Hirngebieten nicht in gleicher Art und Weise ab. Insbesondere das Stirnhirn ist so etwas wie ein Nachzügler. Hier verändern sich die graue und weiße Substanz besonders langsam und spät. Diese neuen Befunde über die Hirnreifung und Plastizität passen nahezu nahtlos mit den Befunden über die Reifung von wichtigen psychischenFunktionen zusammen, die vom Stirnhirn kontrolliert werden. Die Funktionen, die im Stirnhirn lokalisiert sind (z.B. Aufmerksamkeit, Verhaltenskontrolle, Konzentrationsfähigkeit), reifen auch spät. Allerdings ist es sehr wahrscheinlich, dass frühes und intensives Musiktraining mit seinen vielfältigen motorischen und kognitiven Anforderungen den Reifungsprozess entscheidend beeinflusst.
    10.5
    Plastizität nicht nur bei Musikern
    Ich habe bereits angedeutet, dass häufig als Einwand gegen die musikspezifische Veränderung der Hirnanatomie das Argument ins Feld geführt wird, dass die Gehirne von Musikern etwas Besonderes seien und sie sich infolge genetischer Einflüsse so außergewöhnlich entwickelt hätten. Wenn bei ganz normalen Menschen ohne besondere Begabungen anatomische Veränderungen infolge von Lerneinflüssen zu beobachten wären, so wäre das ein wichtiges Gegenargument gegen diese Begabungshypothese. Einen solchen Befund haben Londoner Neurowissenschaftler in der

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