Macht Musik schlau?
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Proceedings of the National Academy of Science
veröffentlicht (Maguire et al., 2000). Sie haben 16 Londoner Taxifahrer intensiv untersucht und überprüft, ob sich infolge ihrer sehr guten Raumorientierung anatomische Veränderungen eingestellt haben. Dass sich die angesehenen Londoner Wissenschaftler den Taxifahrern zugewendet hatten, war nicht einer zufälligen «Bierlaune» oder einer verrückten Idee zuzuschreiben. Die Forscher wussten vielmehr aus vorangegangenen Tierversuchen, dass Ratten oder Mäuse nach intensivem räumlichen Lernen markante anatomische Veränderungen im Hippokampus aufwiesen. Der Hippokampus (lat.:
hippocampus
= «Seepferdchen») ist eine für das Lernen und das Gedächtnis zentrale Hirnstruktur. Wie durch einen «Flaschenhals» werden durch diese Struktur neue Informationen in das Langzeitgedächtnis geschleust. Bei diesem Vorgang werden sie mit anderen Informationen und Gefühlen gekoppelt. Der hintere Teil insbesondere in der rechten Hemisphäre ist beim Menschen sehr zentral für das Lernen und Memorieren von räumlichen Gedächtnisinformationen. In den bekannten Tierversuchen mussten die Tiere lernen, sich in komplexen Umgebungen zu orientieren. Bewerkstelligten sie dieses schwierige Orientierungslernen, stellten sich markante anatomische Veränderungen im hinteren Teil des Hippokampusein. Aufgrund dieser Befunde gingen die Kollegen davon aus, dass auch beim Menschen der hintere Hippokampus infolge des Orientierungslernens sich anatomisch verändern könnte. Londoner Taxifahrer sind für die Untersuchung dieser Fragestellung eine ausgezeichnete Versuchsgruppe, denn die Orientierung in dieser riesengroÃen Weltstadt erfordert auÃergewöhnlich gute räumliche Fertigkeiten. Da die Orientierung in einer derart groÃen Stadt sehr anspruchsvoll ist, müssen angehende Taxifahrer auch relativ lange Ausbildungszeiten in Kauf nehmen, die nicht selten bis zu vier Jahre dauern. Warum ist diese Studie an Londoner Taxifahren auch noch interessant? Bei Taxifahrern würde man nicht unbedingt annehmen, dass sie aufgrund ihrer besonderen Begabung den Beruf des Taxifahrers gewählt hätten. Man kann eher davon ausgehen, dass sie aufgrund von Zufällen zu diesem Beruf kamen. In der Regel wird bei dieser Berufswahl sicher kein massives Interesse oder eine hohe intrinsische Motivation für die Ausübung gerade dieser Tätigkeit vorgelegen haben. Ich möchte an dieser Stelle nicht falsch verstanden werden und den Eindruck erwecken, dass ich den Beruf des Taxifahrers abwertend beurteile und ihn nicht schätze. Ich war selbst zu meiner Studienzeit in Wuppertal viele Jahre Taxifahrer und habe jedes Wochenende bis spät in die Nacht Gäste quer durch die Stadt kutschiert. Diesen Job habe ich sehr gerne ausgeübt, und ich verdanke ihm in nicht unerheblichem MaÃe, dass ich mein Studium finanzieren konnte. Wie auch immer, diese 16 männlichen Taxifahrer im gestandenen Alter von 32 bis 62 Jahren wurden von den Londoner Wissenschaftlern in das neuropsychologische Labor eingeladen, um dort mit der Magnetresonanztomographie vermessen zu werden. Nach der anatomischen Vermessung befragten die Wissenschaftler die Probanden nach ihren Erfahrungen als Taxifahrer; dabei haben sie sich insbesondere für die Dauer ihrer Tätigkeit als Taxifahrer, speziell in London, interessiert. Die untersuchten Taxifahrer gaben an, dass sie bis dahin zwischen 4 und 29 Jahre als Taxifahrer in London tätig gewesen sind. Die Wissenschaftler haben dann diese Tätigkeitsdauern mit der Dichte und dem Volumen der grauen Substanz im Hippokampus in Beziehung gesetzt. Konkret bedeutet dies, dass sie Korrelationen zwischen diesen Kennwerten berechnet haben. Dabei stellte sich heraus, dass ein linearer Zusammenhang zwischen der Dauer des Taxifahrens (gemessen in Monaten) und dem Volumen des hinteren Hippokampus bestand. Und zwar zeigte sich, dass der hintere Hippokampus umso gröÃer war, je länger die Taxifahrer in London ihrem Beruf nachgegangen waren. Neben dem absoluten Volumen hing auchdie Dichte der grauen Substanz im hinteren rechten Hippokampus mit der Erfahrung als Taxifahrer zusammen. Die Wissenschaftler kamen zu der Schlussfolgerung: Je mehr Erfahrung die Taxifahrer im Hinblick auf die Orientierung in London hatten, desto gröÃer war der hintere Hippokampus und umso gröÃer war auch die Dichte der
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