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Macht Musik schlau?

Macht Musik schlau?

Titel: Macht Musik schlau? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lutz Jäncke
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vor allem solche Hirngebiete durch das Üben beeinflusst werden, welche die beiden Hirnhälften miteinander verbinden (z.B. das Corpus callosum), beeinflusst die Intensität des Übens im postpubertären Alter Hirngebiete, welche die Kommunikation innerhalb einer Hemisphäre gewährleisten (z.B. Fasciculus arcuatus) oder für die motorische Kontrolle zuständig sind (Basalganglien). So faszinierend diese Ergebnisse auch sind, man darf nicht außer Acht lassen, dass hier nur acht Profimusiker untersuchtund die Übungsstunden retrospektiv von den Musikern erfragt worden sind. Daher können Messfehler und Zufallsbefunde nicht ohne Weiteres ausgeschlossen werden. Dennoch passen diese Ergebnisse in bemerkenswerter Art und Weise zu den bereits berichteten Befunden und fügen sich in das Bild, wonach sich anatomische Strukturen je nach der Intensität des Übens zu verändern scheinen. Eigentlich ein unerhört spektakuläres Ergebnis, das vor einigen Jahren kaum jemand für möglich gehalten hätte: Das Gehirn ändert seine Anatomie je nachdem, wie oft und wie lange geübt wird. Das wäre etwa so, als würde sich die Festplatte eines Computers vergrößern oder zumindest flexibel anpassen, je öfter man ihn gebraucht – eine derzeit undenkbare Vorstellung.
    Weitere Befunde, welche die These der anatomischen Anpassung der Musikergehirne an die besonderen Anforderungen unterstützen, sind kürzlich von der Arbeitsgruppe meines Kollegen Gottfried Schlaug gemeinsam mit Christian Gaser publiziert worden (Gaser und Schlaug, 2003). Sie haben eine wesentlich größere Gruppe von Musikern als die schwedischen Wissenschaftler untersucht, nämlich 20 Profimusiker und 20 Amateurmusiker. Als Kontrollpersonen wurden zusätzlich noch 40 Nichtmusiker anatomisch vermessen, die im Hinblick auf Alter, Geschlecht (alles Männer) und Bildung den Musikern sehr ähnlich waren. Gottfried Schlaug und Christian Gaser haben die Gehirne dieser 80 Versuchspersonen mit der Magnetresonanztomographie gemessen und die Gehirne «objektiv» analysiert. Konkret bedeutet dies, dass die Gehirne vollautomatisch mittels neuer Analysetechniken ausgewertet wurden. Diese Auswertungen umfassen eine stereotaktische Normalisierung 60 der Gehirne und weitere Schritte, die es ermöglichen, dass man alle Gehirne simultan analysieren kann, ohne dass die Untersucher genötigt sind, bestimmte Hirnstrukturen subjektiv zu bewerten. Diese Analysetechnik, welche als
voxelbasierte Morphometrie
(Voxel Based Morphometry, VBM) bezeichnet wird, ist im Hinblick auf die Objektivität der anatomischen Analysen ein erheblicher Fortschritt. Mit dieser Technik haben die beiden Kollegen die Dichte der grauen Substanz zwischen den drei Gruppen verglichen. Die Dichte der grauen Substanz kann noch nicht zweifelsfrei interpretiert werden. Es wird derzeit diskutiert, dass dieser Kennwert entweder die Anzahl der Nervenzellen pro Volumeneinheit,die Größe der Nervenzellen pro Volumeneinheit und/oder die Dichte der informationszuführenden «Kabel» (Dendriten) repräsentiert. Offenbar ist aber die Dichte der grauen Substanz in bestimmten Hirngebieten häufig mit der Leistungsfähigkeit der Funktionen gekoppelt, die von diesen Hirngebieten kontrolliert werden. In der Regel gilt hier die Formel: «Je besser die Leistung, die von einem bestimmten Hirngebiet kontrolliert wird, desto größer ist die Dichte der grauen Substanz in diesem Hirngebiet». Gottfried Schlaug und Christian Gaser konnten mit ihrer Studie belegen, dass die Profimusiker über eine größere
Dichte der grauen Substanz
in Hirngebieten verfügen, die für die Ausübung von Musik besonders wichtig sind, als die Amateurmusiker (s. Tab. 4 und Abb. 62 ). Die Amateurmusiker wiesen jedoch in jenen Hirngebieten, in denen sie den Profimusikern «unterlegen» waren, immer noch eine deutliche größere Dichte der grauen Substanz auf, als die Nichtmusiker.Wenn ich in meinen Vorträgen diese Erkenntnisse darstelle und bespreche, dann dauert es in der Regel nicht lange, bis der erste Einwand kommt. Der klassische Einwand ist der, dass man uns vorwirft, wir hätten professionelle Musiker untersucht, die infolge einer besonderen Begabung über außergewöhnliche Fähigkeiten und damit auch außergewöhnliche Gehirne verfügen würden. Wegen der besonderen Gehirne und der damit verbundenen

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