Macht Musik schlau?
Längsschnittstudie wurde 1996 von der Arbeitsgruppe Gardiner in der angesehenen Zeitschrift
Nature
veröffentlicht (Gardiner, Fox, Knowles und Jeffrey, 1996). In dieser Studie wurden sechsjährige Schulkinder (Erstklässler) aus zwei Schulen und zwei Schulklassen untersucht. Insgesamt wurden demzufolge vier Versuchsgruppen untersucht. Zwei Versuchsgruppen erhielten während sechs Monaten ein Musiktraining nach der Kodály-Methode 5 (s.a. unten), während die beiden anderen Schulklassen als Kontrollgruppen dienten und lediglich einen so genannten Standardunterricht genossen. Auf diese Art und Weise konnten die Autoren den spezifischen Schuleinflusskontrollieren, denn an beiden Schulen wurde entweder die Kodály-Methode oder ein Standardunterricht unterwiesen. Unter der Voraussetzung, dass die Zuweisung der Kinder zu den vier Versuchsgruppen per Zufall erfolgte, ist diese Studie als eine gute experimentelle Studie zu klassifizieren. Leider ist der Modus der Gruppenzuweisung in der Originalpublikation nicht eindeutig erwähnt, so dass noch ein kleiner «Wermutstropfen» hinsichtlich der Qualität dieser Studie besteht. Trotz dieser methodischen Schwäche ist diese Studie eine der besten Studien, welche bislang zu diesem Thema publiziert worden ist. Die Kodály-Methode ist ein komplexes Musiklernprogramm, das verschiedene Komponenten enthält. Wichtige Elemente sind:
1.   Singen und Intonation (das Treffen der richtigen Töne): Eingesetzt wird dazu die Solmisation, eine Technik, wonach die Noten nach dem Verfahren von Guido von Arezzo benannt und gesungen werden. Die Noten werden durch bestimmte Silben gekennzeichnet (ut, re, mi, fa, sol, la). Durch die Solmisation wird der Wiedererkennungseffekt dieser Silben ausgenutzt und die Vorstellung von Tonhöhen unterstützt.
2.   Hören: Hören wird in enger Verbindung zum Singen betrachtet. Um diese Fähigkeit zu fördern, wird von Anfang an viel zwei- und mehrstimmig gesungen. Damit sind die Lernenden gezwungen, sich und andere hörend wahrzunehmen und immer wieder zu überprüfen, wie die eigene Stimme allein und im Zusammenklang mit anderen klingt.
3.   Notation: Kodály bietet zum Lesen und Schreiben von Noten ein System für den Beginn des Lernens an â es wird in der Darstellung reduziert und vereinfacht und entwickelt sich vom Einfachen zum Komplexen.
4.   Visuelle Darstellung: Eine Art vereinfachte Dirigiertechnik soll mit bestimmten Handzeichen zu bestimmten Tonhöhen einerseits das Treffen der Töne visuell unterstützen, zum anderen mit der Zeit stimmliche Reflexe provozieren.
Betrachtet man dieses Ausbildungssystem, erkennt man, dass es geeignet ist, grundsätzliche musikalische Aspekte zu trainieren. Darüber hinaus werden auch grundsätzliche psychische Funktionen trainiert, die nicht nur typisch und wesentlich für die Musik bzw. das Ausübenvon Musik sind. Insbesondere das Training der Visualisierung erfordert ein hohes Maà an Konzentration und Aufmerksamkeit. Das Ãben der Notation könnte auch als eine Vorstufe des Schreibenlernens aufgefasst werden, während das Hörtraining die Konzentration auf andere Personen fördert und eventuell als ein grundlegendes Training für die soziale Kommunikation aufgefasst werden kann. Die Befunde im Hinblick auf Rechen- und Leseleistungen sind beeindruckend. Die Kinder, welche der Kodály-Methode zugeführt wurden, haben insgesamt sehr gut von diesem Training «profitiert» und auch ihre Lese- und Rechenleistungen verbessert. Die Verbesserungen sind ausgeprägter als bei den Kindern, die lediglich den «normalen» Unterricht genossen hatten. Werden die Kinder hinsichtlich ihrer Rechen- und Leseleistungen in schlechte, mittelgute und sehr gute Kinder eingeteilt, ergeben sich interessante Nebenbefunde. Insbesondere bei den schlechten und mittelguten Kindern wirkt sich das Kodály-Training sehr positiv auf die Rechen-und Leseleistungen aus.
Insofern belegt dieses Experiment eindrücklich, dass das Kodály-Training einen günstigen Einfluss auf die schulische Entwicklung haben kann. Man muss allerdings einschränkend erwähnen, dass die Kodály-Methode wie bereits erwähnt, nicht ein reines Musiktraining ist, sondern auch als ein elementares Wahrnehmungs- und Konzentrationstraining aufgefasst werden kann. Gelegentlich wird auch vermutet, dass die in diesem Training
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