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Macht Musik schlau?

Macht Musik schlau?

Titel: Macht Musik schlau? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lutz Jäncke
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Musikunterricht nicht eine zusätzliche Stimulation im Vergleich zur Kontrollgruppe ist, sondern nur eine andere Form der Stimulation. Dies bedeutet, dass die Kontrollgruppe anstatt des Musikunterrichts etwas anderes in gleicher Intensität und kognitiverBeanspruchung durchführen muss. Eine weitere wichtige Bedingung ist, dass über den gesamten Versuch hinweg beide Versuchsgruppen völlig identisch unterrichtet und pädagogisch begleitet werden, außer dass eine Gruppe Musikunterricht erhält und die andere nicht. Auch dürfte den Versuchspersonen (inkl. der Eltern) nicht der Zweck der Untersuchung bekannt sein. Ansonsten könnten z.B. die Kinder, welche den Musikunterricht erhalten, der Meinung sein, sie würden besonders vom Musikunterricht profitieren, und sich dann entsprechend verhalten und in anderen Schulfächern mehr anstrengen. Ein umgekehrter Effekt ist ebenfalls möglich, und eine Verschlechterung der Schulleistungen in der Gruppe ohne Musikunterricht könnte eintreten, weil die Kinder sich nicht als besonders behandelte Schulkinder empfinden. Dieser für solche Experimente unangenehme Effekt ist in der Forschung bekannt und wird als
self-fulfilling prophecy
(selbsterfüllende Prophezeiung) bezeichnet. Auch wenn die Kinder keine Hypothesen über diese Studie und ihre Rolle in diesem Experiment hätten, könnten die Eltern Einfluss auf die Befunde nehmen. Sie könnten ihre Kinder zu Hause entsprechend anders behandeln und auch andere Gesprächsthemen anschneiden, mehr oder weniger schulische Hilfestellungen anbieten oder sich einfach anders verhalten, was letztlich auch zu verändertem Schulverhalten der Kinder führen kann.
    Man erkennt anhand dieser Ausführungen, dass die Gestaltung und Durchführung solcher Experimente schwierig ist. Um besonders aussagekräftige Experimente zu gestalten, müsste man neben den oben angeführten Aspekten noch weitere schwer zu realisierende Punkte berücksichtigen. So wäre es sinnvoll, noch mindestens eine weitere Kontrollgruppe einzuführen. Empfehlenswert wäre eine Gruppe, die keine zusätzliche schulische Stimulation erhalten würde, um herauszuarbeiten, ob alleine dieses zusätzliche Training einen günstigen Einfluss auf die Schulleistungen der Kinder haben könnte. Bedenkt man, dass aus statistischen Gründen noch eine relativ große Zahl von Versuchspersonen untersucht werden müsste, ist ersichtlich, wie schwierig es ist, aussagekräftige Untersuchungen diesen Typs zu gestalten und durchzuführen. Insofern ist es nicht verwunderlich, dass solche Untersuchungen bislang selten sind. Im Grunde genommen existiert bislang nur eine Untersuchung, die diesen Anforderungen nahe kommt und sich diesem eigentlich heroischen Untersuchungsansatz unterworfen hat.
    Bevor ich mich der Darstellung und kritischen Würdigung der bislang publizierten Langzeitstudien zur Untersuchung des Einflusses vonMusikunterricht auf schulische Leistungen widmen werde, erlaube ich mir kurz meine Interpretation der Befunde vorwegzunehmen. Die zwölf bislang zu diesem Thema publizierten Studien deuten darauf hin, dass zusätzlicher Musikunterricht zumindest keinen negativen Einfluss auf schulische Leistungen hat. Vielmehr deuten alle Studien darauf hin, dass Musikunterricht einen günstigen Einfluss auf eine Reihe von anderen schulischen Leistungen wie Mathematik, Leistungen in räumlichen Aufgaben (z.B. Geometrie), aber auch auf die Allgemeinintelligenz ausübt. Allerdings ist der Wirkmechanismus nicht klar. Im Folgenden werde ich die einzelnen Arbeiten zu diesem Thema kritisch besprechen. Hierbei werde ich zunächst jene Arbeiten besprechen, welche in von Fachleuten begutachteten Zeitschriften (in der Wissenschaft werden diese Zeitschriften als
peer-reviewed
bezeichnet) publiziert worden sind, denn diese Arbeiten haben traditionell im Hinblick auf ihre Glaubwürdigkeit und Nachhaltigkeit die größte Bedeutung. Diese Arbeiten werden unter der Überschrift 3.2, Internationale Längsschnittuntersuchungen, zusammengefasst. In einem weiteren Abschnitt (3.3) werde ich dann zwei großangelegte Schulprojekte besprechen, welche in Deutschland und in der Schweiz durchgeführt worden sind. Beide Projekte wurden in Buchform veröffentlicht, allerdings ohne einem
Peer-Review-
Prozess unterworfen gewesen zu sein.
    3.2.
    Internationale Längsschnittuntersuchungen
    Die erste einflussreiche

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