Macht Musik schlau?
die Elektroden eingebaut. In diese Halterungen werden die Elektroden eingepasst und der Zwischenraum zwischen Elektroden und Kopfhaut wird mit einer bestimmten, gut leitenden Paste gefüllt. Da die Elektroden an sehr sensible Verstärker angeschlossen sind, kann man mit dieser Technik kleinste elektrische Schwankungen an der Schädeloberfläche aufzeichnen. Diese elektrische Schwankungen stammen in der Regel von den Nervenzellen der Hirnrinde und können somit zeitlich sehr präzise im Millisekundenbereich aufgezeichnet werden. Ein anderes in der Musikpsychologie häufig verwendetes Verfahren ist die Magnetenzephalographie (MEG). Bei der MEG-Messung müssen die Versuchspersonen ihren Kopf in ein Gerät halten, das äuÃerlich betrachtet, einer Friseurhaube ähnelt. In diesem Gerät befinden sich kleine Sensoren, die das Magnetfeld an der Schädeloberfläche messen. Mittlerweile kann man anhand der Verteilung der elektrischen und magnetischen Aktivität über dem Schädel durch Anwendung komplizierter mathematischer Verfahren mit relativ guter räumlicher Genauigkeit im Bereich von 5 bis 10 mm 3 auf die im Gehirn lokalisierten Quellen dieser Aktivität «zurückrechnen». Diese Methoden sind gerade für die Musikpsychologie von herausragender Bedeutung, da sie nichtinvasiv sind, geräuschlos arbeiten (wasinsbesondere für die Musikwahrnehmung von besonderer Bedeutung ist) und bei Kindern wie Erwachsenen ohne Probleme einsetzbar sind.
Man kann damit so genannte evozierte Potenziale (EVP) berechnen (gelegentlich findet man auch die Bezeichnung ereigniskorrelierte Potenziale, EKP), die mit einer ausgezeichneten zeitlichen Auflösung über den zeitlichen Verlauf von Musikwahrnehmungsprozessen Aufschluss geben. Hierzu wird der Musikreiz (Ton, Klang, Klangsequenz, Akkord etc.) dargeboten und während der Darbietung wird das EEG mit hoher zeitlicher Auflösung registriert. Die Musikreize werden wiederholt (50â100mal nacheinander) dargeboten, und die EEG-Sequenzen werden jeweils aufgezeichnet. Auf diese Art und Weise erhält man zirka 100 EEG-Messungen vom Beginn der Musikreizdarbietung bis etwa 1000 Millisekunden nach Beginn des Musikreizes. Wenn diese EEG-Sequenzen gemittelt werden, erhält man die EKPs, die je nach verwendetem Musikreiz eine typische Form aufweisen. Man erkennt markante Auslenkungen von der Grundlinie, die wir als «Komponenten» bezeichnen und die bestimmte Nervenzellaktivitäten im Zusammenhang mit wichtigen psychologischen Funktionen repräsentieren. Die erste wichtige EKP-Komponente kann man 20 bis 50 Millisekunden nach Präsentation der Musikreize feststellen, gefolgt von einer Komponente mit einer groÃen Amplitude zirka 100 Millisekunden nach Reizpräsentation. Diese Komponente ist in Bezug zur Grundlinie entweder negativ oder positiv. Die frühe Komponente um 50 Millisekunden ist positiv, deswegen wird diese Komponente als P1 bezeichnet. Die folgende Komponente um 100 Millisekunden ist negativ und wird als N1 bezeichnet. Um zirka 200 Millisekunden ist eine weitere positive Komponente auszumachen, welche die Bezeichnung P2 erhalten hat, die von einer weiteren Komponente, der N2, gefolgt wird. Je nach verwendetem Musikreiz folgt auch eine weitere positive Komponente, welche bemerkenswert groà werden kann und den Namen P300 trägt. In Abbildung 36 ist ein typisches Beispiel eines auditorisch evozierten Potenzials (AEP) dargestellt.
Für das Verständnis der folgenden Darstellungen ist es wichtig, sich zu vergegenwärtigen, dass sich diese Komponentenabfolge innerhalb der ersten 300 Millisekunden abspielt. Dies bedeutet, dass bereits in dieser kurzen Zeit unterschiedlichste psychologische Verarbeitungsprozesse stattfinden, die mit charakteristischen neurophysiologischen Aktivitäten in bestimmten Hirnstrukturen verbunden sind. Die sehr frühen Komponenten (bis etwa 50 Millisekunden) reflektieren im Wesentlichen die Nervenzellaktivität aus der primären Hörrinde. In diesem Stadium werden einfacheakustische Analysen durchgeführt. Die folgende N1-Komponente wird mit Nervenzellaktivitäten in Teilen des primären, aber insbesondere des sekundären Hörkortex in Verbindung gebracht. Wahrscheinlich handelt es sich um initiale Integrationen der ersten elementaren Wahrnehmungsanalysen. Möglicherweise werden hier erste einfachere «Hörgestalten» wie Klänge etc. wahrgenommen. Die
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