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Macht Musik schlau?

Macht Musik schlau?

Titel: Macht Musik schlau? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lutz Jäncke
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Nichtmusikern.
    Fassen wir zusammen: Bei Musikern können konsistent stärkere neurophysiologische Reaktionen auf Musikstimuli gemessen werden als bei Nichtmusikern, auch wenn die Versuchspersonen diesen Reizen keine Aufmerksamkeit widmen. Wir wissen, dass diese neurophysiologischen Reaktionen im primären Hörkortex generiert werden und eine Art neuronaler Indikator des Gedächtnisses sind. Wenn also ein bestimmter Musikreiz im Gedächtnis repräsentiert ist, wird auch eine MMN ausgelöst. Bislang werden die Befunde, dass Musiker im Hinblick auf die MMN als Reaktion auf Musikreize stärkere Amplituden generieren, als Hinweis auf die trainingsinduzierte Modifikation des auditorischen Systems gewertet (s. Tab. 1 ).
    In diesem Zusammenhang ist bemerkenswert, dass auch unter Musikern Unterschiede zu finden sind. Diesem Aspekt der Unterschiedlichkeit unter Musikern wurde bislang in der Forschung zu wenig Aufmerksamkeit gewidmet. Musiker unterscheiden sich nicht nur hinsichtlich der Instrumente, der bevorzugten und gespielten Musik, der Trainingsdauer, des Beginns des musikalischen Trainings sondern auch bezüglich unterschiedlicher Wahrnehmungsstrategien. Dabei muss man bedenken, dass die Wahl der Wahrnehmungsstrategie nicht nur bewusst erfolgen muss. Es können auch unbewusste Wahlprozesse beteiligt sein. Ich werde auf den Aspekt der Hörstrategie bzw. der Hörgewohnheit in Kapitel 6 näher eingehen. Neben dem bewusst oder unbewusst gewählten Hörzugang ist natürlich auch der Übungsgrad oder einfach die musikalische Expertise ausschlaggebend dafür, wie man Musik wahrnimmt. Deshalb ist es sinnvoll, Laienmusiker, Profimusiker und Musiker, die sich mit unterschiedlichen Musikgenres auseinandersetzen, miteinander zu vergleichen. Bislang sind solche Untersuchungen allerdings nicht sehr häufig durchgeführt worden.
    Schon wenn man Laienmusiker mit Nichtmusikern vergleicht, sind die Wahrnehmungsunterschiede und ihre neuronalen Korrelate weniger deutlich, als wenn man Profimusiker mit Nichtmusikern vergleicht. Aber es sind gleichwohl Unterschiede zwischen Laienmusikern und Nichtmusikern vorhanden. Eine interessante Untersuchung, die sehr gut zu denhier besprochenen Themen passt, wurde von der finnischen Arbeitsgruppe um Tervaniemi und Kollegen publiziert (Tervaniemi, Castaneda, Knoll und Uther, 2006a). Sie haben Laienmusiker mit Nichtmusikern hinsichtlich der Wahrnehmung von elementaren und komplexen Musikreizen verglichen. Gleichzeitig haben sie in beiden Gruppen die assoziierten Hirnaktivierungen (objektiviert mittels MMN) gemessen und verglichen. Sie fanden, dass die Laienmusiker ausgeprägtere MMN-Amplituden als Reaktion auf gewisse elementare Musikreize (z.B. die Richtung, aus der die Reize gesendet werden) aufwiesen. Bei anderen elementaren Musikreizen (z.B. Tondauern und Tonfrequenzen), aber insbesondere bei den komplexeren Musikreizen (Musikintervalle und Musikkonturen) fanden sie keine Unterschiede zu Nichtmusikern.
    Ich habe schon darauf hingewiesen, dass nicht alle Musiker Musik gleich wahrnehmen. Ihre persönliche Erfahrung und die in diesem Zusammenhang erworbenen Strategien bestimmen, wie sie Musik wahrnehmen. Allerdings scheinen sich die individuellen Strategien nicht auf die elementaren Wahrnehmungsaspekte wie die Tonhöhenunterscheidungauszuwirken, sondern eher auf die Wahrnehmung komplexer Inhalte (z.B. Melodie, s. Abschnitt 4.7.2). Diesbezüglich besteht jedoch noch Forschungsbedarf (Seppanen, Brattico und Tervaniemi, 2007.
    Tabelle 1: Zusammenfassung der elektrophysiologischen Kennwerte bei der Wahrnehmung elementarer Musikreize
 
elementarer Aspekt des Musikreizes
elektrophysiologischer Kennwert
 
Tonhöhe von unnatürlichen Reizen (z. B. Sinuston)
MMN, N1, P2
    ProfimusikerNichtmusiker
Tonhöhe von Musikreizen (z. B. Klavierklängen etc.)
MMN, N1, P2
    ProfimusikerNichtmusiker
Ton- bzw. Klangdauern
MMN, N1, P2
    ProfimusikerNichtmusiker
Pausen zwischen Tönen (gaps)
MMN, N1, P2
    ProfimusikerNichtmusiker
Klangfarben
MMN, N1, P2
    ProfimusikerNichtmusiker
Tonintensitäten
MMN, N1, P2
    ProfimusikerNichtmusiker
Richtung der Schallquelle
MMN, N1, P2
    ProfimusikerNichtmusiker
 
    4.7.2
    Harmonie, Melodie und Takt
    Dass Musiker besser den Rhythmus, die Melodie oder Verletzungen von Musikregeln (z.B. Harmonieregeln) erkennen können als Nichtmusiker, liegt in der Natur des Musizierens. Bezüglich dieser Musikaspekte keine Unterschiede

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