Macht Musik schlau?
Nichtmusiker die Klänge mit unterschiedlicher Klangfarbe häufiger als unähnlich einschätzen. Wenn sie die Aufgabe erhalten zu entscheiden, ob die Grundtöne identisch sind, dann haben Nichtmusiker häufig groÃe Probleme bei dieser Aufgabe und geben an, dass Klänge mit gleichem Grundton aber unterschiedlicher Klangfarbe auch unterschiedliche Grundtöne hätten. Diesen Fehler machen Musiker in der Regel nicht (Pitt und Crowder, 1992; Beal, 1985). Insgesamt bleibt festzuhalten, dass eine Reihe von Studien darauf hinweisen, dass die Klangfarbe insbesondere für Musiker von gröÃerer Bedeutung ist als für Nichtmusiker.
Obwohl Musiker eher auf die Obertonkombination zu achten scheinen, darf nicht auÃer Acht gelassen werden, dass auch innerhalb der Musiker und Nichtmusiker erhebliche Unterschiede im Hinblick auf die Art und Weise bestehen, auf den Grundton oder eher die harmonische Obertonrepräsentation bei der Klanganalyse zurückzugreifen. Darauf hatte bereits der berühmte Psychophysiologe Herrman von Helmholtz in seinem Buch «Die Lehre von den Tonempfindungen als physiologische Grundlage für die Theorie der Musik» hingewiesen (Helmholtz, 1863). Vor einigen Jahren konnte eine Heidelberger Arbeitsgruppe (Schneider et al., 2006) dieses Phänomen eindrücklich mit neurophysiologischen und neuroanatomischen Befunden in Verbindung bringen. Sie haben einen neuen Tonhöhentest mit 162 verschiedenen Tonpaaren aus harmonisch komplexen Tönen entwickelt. Die Testpersonen werden dabei gebeten anzugeben, ob sie innerhalb eines Tonpaares eher eine fallende oder eine aufsteigende Tonrichtung wahrnehmen. Interessant war, dass die Autoren überraschenderweise einen «flieÃenden Ãbergang» von Personen herausarbeiten konnten, die entweder eher auf den Grundton oder die Obertöne achteten. Bei einer Teilstichprobe der untersuchten über 500 Personen wurden noch neuroanatomische Aufnahmen des Gehirns angefertigt (mittels Magnetresonanztomographie) und auditorisch evozierte Potenziale gemessen, die es erlauben, die Nervenzellaktivität des auditorischen Kortex ca. 50 Millisekunden nach Ton- bzw. Klangpräsentation zu quantifizieren (Schneider, Andermann, Engelmann, Schneider und Rupp, 2006; Schneider, Sluming, Roberts,Bleeck und Rupp, 2005). Die digitalen Aufnahmen der Gehirne wurden so weiterverarbeitet, dass ein bestimmter Teil des auditorischen Kortex dreidimensional für jedes Gehirn visuell dargestellt werden konnte. Der wesentliche Teil des in dieser Studie untersuchten Hörkortex ist der so genannte Heschlâsche Gyrus auch als Heschlâsche Querwindung bezeichnet. Dieser Teil des Hörkortex hat seinen Namen nach dem Wiener Anatomen Richard Ladislaus Heschl (1824â1881) erhalten, der diese Struktur intensiv untersucht hat. Bemerkenswert war, dass jene Musiker, welche die komplexen Klänge eher durch Bezug auf die Grundtöne analysierten (so genannte Grundtöner), durch eine Linksasymmetrie des Volumens des mittleren Teils der Heschlâschen Querwindung auffielen. Anders ausgedrückt: Der mittlere Teil des Hörkortex ist bei «Grundtönern» in der linken Hirnhemisphäre gröÃer als in der rechten. Erstaunlich ist, dass die «Obertöner», also jene Musiker, welche die komplexen Klänge eher durch Bezug auf die Obertonkombination analysierten, eine umgekehrte anatomische Asymmetrie aufwiesen. Das bedeutet, dass der rechte mittlere Teil des Hörkortex gröÃer war als der linksseitige. Dieser höchst bemerkenswerte Befund wurde noch durch einen weiteren Befund ergänzt. Bei den Versuchspersonen (Musiker und Nichtmusiker) erfolgte eine Gehirnstrommessung mittels der Magnetenzephalographie beim Hören von Klängen. Mit dieser Methode misst man an der Schädeloberfläche kleinste Magnetfeldschwankungen, die auf die elektrische Aktivität des Gehirns zurückzuführen sind. Anhand der Verteilung der magnetischen Felder an der Schädeloberfläche kann man dann mit geeigneten Programmen die «Quellen» der elektrischen Aktivität innerhalb des Gehirns berechnen. Diese Form der Analyse nennt man Quellenanalyse, weil man damit die elektrischen «Quellen» der Magnetfelder innerhalb des Gehirns identifiziert. Die detaillierte Quellenanalyse ergab, dass die Nervenzellen im primären Hörkortex bereits 50 Millisekunden nach Tonbeginn mit gesteigerter elektrischer
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