Macht nichts, Darling
erkannte Simon. Ihre Hand zuckte ans Steuer zurück, und sie fuhr rasch vorbei. Die beiden hatten sie nicht gesehen — sie waren viel zu sehr in eine offenbar angelegentliche Unterhaltung vertieft.
Sally waren zu ihrer Wut Tränen in die Augen geschossen, so daß sie kaum die Straße vor sich erkennen konnte. In sicherer Entfernung von dem dahinschlendernden Paar hielt sie an, um erst dieser ganz neuen und fremdartigen Regung Herr zu werden. Es tat regelrecht körperlich weh, irgendwelche Stiche in der Herzgegend... konnten es Verdauungsbeschwerden sein? Aber gleich sagte sie sich mit ihrer angeborenen Ehrlichkeit: »Nichts da mit Verdauungsbeschwerden — es ist ganz gewöhnliche Eifersucht. Die beiden haben so glücklich ausgesehen, und das mißgönnst du ihnen natürlich, weil du im Moment nicht ebenso glücklich bist. Schäme dich, Sally! Du hast es gewollt, du hast es mit List und Tücke in die Wege geleitet, und nun paßt es dir auf einmal nicht, daß es so gut klappt. Simon hat diesmal wirklich keine Zeit verschwendet... und wie er sie angesehen hat! Und Caroline führt keinen Mann an der Nase herum; ihr ist es ebenso ernst. Summa summarum: Alles ist in bester Ordnung, nur du nicht.«
Nachdem sie sich selbst diese Standpauke gehalten hatte, war Sallys Moral so weit gehoben, daß sie sich imstande fühlte, wenigstens noch Alice und Alister zu besuchen. Irgendeinen Trost brauchte sie schließlich nach dem Abschied von Archie — im Grunde war das wohl die Hauptursache ihrer weltschmerzlichen Stimmung — , und nichts konnte tröstlicher sein, als so einen dicken schwarzen Hundekopf zu streicheln.
Alice empfing sie hocherfreut, aber Sally bedauerte bald, daß sie im Gespräch mit ihrer Freundin nicht mehr so frei aus sich herausgehen konnte, wie es ihrer Gewohnheit und Natur entsprach. Einiges durfte sie nicht erzählen. So beschrieb sie zwar Joseph Frasers Rettung, mußte aber Judiths Rolle in der Geschichte auslassen und konnte daher auch schlecht erklären, wieso sie seine Gedanken zielbewußt auf Enkelkinder lenkte. Auch das Thema ihrer eigenen Zukunftspläne umging sie lieber. In ihrer Verlegenheit streichelte sie Alister so übermäßig, daß er total verdreht wurde und schließlich sogar den Versuch unternahm, aufs Klavier zu klettern.
»Es geht doch nichts über einen Hund, wenn man sich katzenjämmerlich fühlt«, sagte Sally unvorsichtig und fügte hastig hinzu: »Ich habe mich wirklich kaum von meinem einsamen Seemann losreißen können. Er hat so schön Leben in die Bude gebracht... Aber jetzt muß ich weiter, Alice. Nein, Alister, gib die Tasche her. Ich weiß, du liebst sie und hast eigentlich ein Recht darauf, aber ich brauche sie noch.« Mit vielen Grüßen für den abwesenden Trevor nahm sie Abschied, stieg wieder in ihr Wägelchen und kehrte gedankenverloren zu ihren beiden Greisen zurück.
Sie hatte Jan natürlich schon telefonisch von der Anwesenheit seines Vaters unterrichtet. »Ich glaube, er will sich mit Ihnen versöhnen... Ja, der Anfall ist so gut wie überwunden... Nein, heute noch nicht, aber der Arzt sagte, morgen können Sie vielleicht schon für zehn Minuten kommen. Machen Sie sich keine unnötigen Sorgen. Er braucht keine besondere Pflege, und wir haben ja jetzt genug Platz im Haus... Ja, er scheint zum Nachgeben bereit zu sein. Ich werde versuchen, Judith irgendwie einzuschmuggeln, damit er sie erst mal unvoreingenommen besichtigen kann... Einstweilen bemühe ich mich, ihn auf Enkel scharf zu machen!«
Jan erschrak am nächsten Tag ziemlich beim Anblick seines Vaters, war aber klug genug, sich nichts anmerken zu lassen und auch den früheren Streit mit keinem Wort zu erwähnen. Er tat, als wäre es ein ganz normales Wiedersehen. Im Lauf der Unterhaltung bemerkte er beiläufig: »Komisch, daß du gerade bei Sally gelandet bist. Ich kenne sie ja noch nicht sehr lange, aber sie ist ein feiner Kerl.«
»Da sind wir ja ausnahmsweise mal völlig einig. Ein feiner Kerl. Wenn du mit so einem Mädchen ankämst, würde ich...«
»Sally guckt mich gar nicht an. Sie hat ganz andere Eisen im Feuer.«
»Läßt sich denken. Schade. Das wäre die richtige Frau für dich.«
»Aber Vater, du weißt ja nicht mal, wie das Mädchen war, das ich damals wollte. Du bist sofort steil in die Höhe gegangen, als ich die erste Andeutung machte. Ich sollte niemanden heiraten — jedenfalls noch lange, lange nicht.«
»Übertreib nicht so! Nicht vor dreißig, hab’ ich gesagt. Na, und? Jetzt bist
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