Macht: Thriller (German Edition)
Silhouette von Bankenviertel und Innenstadt. Der Wind verteilte den Rauch nicht in die Nacht, sondern in die Wohnung. »Gernot, es tut mir leid, aber Moritz möchte nicht, dass man in seinem Apartment raucht. Sei bitte so lieb und stell dich ganz raus.«
Szombathy funkelte über die Schulter, ließ die Smart fallen und trat sie auf dem Teppich aus.
»Ja, geht’s noch?!« Josephine rannte zu Gernot und starrte abwechselnd auf sein Gesicht und den Brandfleck im Spannteppich. »Also, ich weiß nicht, was … Bei dir hakt’s doch!«
Udo senkte die Zeitung, guckte entgeistert und stand vom Sofa auf. »Ich glaub, ich geh dann mal besser?!« Zwei bohrende Blicke genügten als Antwort. Kernreiter flüchtete aus der Schusslinie. »Ganz übles Chi da drinnen«, murmelte er kopfschüttelnd und schloss die Tür des zweiten Schlafzimmers.
»Du hast gesagt, du hast niemanden in Frankfurt. Und dass keiner auf dich wartet«, zischte Gernot und zeigte auf die Urlaubsfotos. »Tja, das war wohl eine glatte Lüge! – Oder sind das alles Photoshop -Montagen deines Stalkers?«
»Nein, das sind Erinnerungen an ein paar sehr schöne Urlaube.« Josephine schob die Unterlippe vor.
»Die natürlich alle dein Kavalier in Markenfetzen bezahlt hat!« Szombathys Augen funkelten.
Josephine verschränkte die Arme und schaute an die Decke. »Ich hab dir gesagt, wir sind beide keine sechzehn mehr.« Sie unterdrückte die aufgewallte Angst vor Gernots körperlicher Aggression, und begegnete dem bohrenden Blick. »Hast du gedacht, dass ich hier auf dich warte, um mich dir als Jungfer hinzugeben, wenn du dich endlich bequemst vorbei zu kommen? Wo warst du denn in all den Jahren? Wo warst du, als ich versucht habe, dich zu erreichen? Immer und immer wieder! Wo?«
Das hatte gesessen. Szombathy taumelte zurück und hob den Zeigefinger. »Mich hierher nach Frankfurt zu schleppen, ohne mich darauf vorzubereiten, was mich in dieser beschissenen Wohnung erwartet, ist das Allerletzte!« Er schob Josi zur Seite und stürzte ins Vorzimmer. Er nahm das Cordsakko vom Haken und schlüpfte hinein. »Ich hab am Golan meinen Arsch riskiert! Während du mit solchen Eunuchen High Society gespielt hast! – Ich pack es nicht! – Und warum, hab ich das? Weil du mir ins Gesicht gespuckt hast am Abschlussball!«
»Eines kann ich dir sagen, mein Lieber, Eunuch ist Moritz keiner!« Josephine drückte den Rücken durch und starrte zum Fenster hinaus. »Wie du dich wegen so einer Lächerlichkeit aufführst, ist echt zum Vergessen.«
»Fein! Dann vergiss mich doch!« Szombathy donnerte die Wohnungstür von außen zu.
Josephine plumpste auf die Couch und verbarg ihr Gesicht zwischen den Händen.
Das Türkrachen schreckte Udo hoch. Er steckte den Kopf aus der Tür und hörte das Schluchzen. Er linste nach links und rechts und huschte ins Wohnzimmer. Er fand Josephine auf dem Sofa und setzte sich neben sie.
»Ich bin so eine blöde Kuh!« Josephines Gesicht war aufgedunsen, ihre Nase tropfte.
Kernreiter stand kurz auf, holte ein Stofftaschentuch aus der Gesäßtasche und reichte es ihr. »Frisch gewaschen.«
Josephine schnäuzte sich. »Danke.« Sie seufzte und sah Kernreiter an. »Er ist so ein blödes, eifersüchtiges Arschloch!«
Udo schloss die Augen und nickte wissend.
»Dabei hat er doch gar keinen Grund.« Josephine fasste sich an die Stirn. »Ich habe die ganze Zeit nur ihn gewollt. Ich liebe ihn seit der Schule! Und er? Er ist es doch gewesen, der damals nichts von mir hat wissen wollen!«
Kernreiter legte Josephine die Hand auf den Rücken und starrte eine Weile vor sich hin. Schließlich sagte er: »Josi, das ist ja alles ganz wunderbar. Aber das darfst du nicht mir erzählen, das musst du Gernot sagen.«
79
Frankfurt am Main, 15. Oktober 2012
G ernot haderte mit sich selbst und rauchte eine Smart nach der anderen. Es war nach Mitternacht, und er schlenderte das Mainufer entlang. Ihn fröstelte und er war elendsmüde. Er zog die letzte Zigarette aus der Packung, zerknüllte und schleuderte das schwarzweiße Softpack mit der Weltkugel in den Main. »Grüß den Rhein von mir!«, murmelte er. Er bedauerte, nicht zu wissen, welche größere Stadt als nächste am Main lag. Er wollte eigentlich sie grüßen, wie damals Bratislava von Bord der Johann Strauss . Szombathy blieb stehen und legte den Kopf in den Nacken. Wolken am mondlosen Firmament. Das Selbstmitleid schmeckte schal, er war kein Schulbub mehr. Er beschloss, zurückzugehen und sich bei Josi
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