Machtspiele: Die Kunst, sich durchzusetzen (Haufe Sachbuch Wirtschaft) (German Edition)
abhängig, was andere wollen – der eigene Chef, die Kunden, die Lieferanten, die Investoren, die Öffentlichkeit oder irgendwelche anderen Personen, von denen Sie und ich nichts ahnen.
Doch verwässern wir nicht die Grundidee, die wieder auf unsere vertraute Machtspielregel hinausläuft: Wer Macht sucht, muss Verantwortung loswerden (vgl. Seite 19). Der Mitarbeiter soll sich selbst darum kümmern, ein bestimmtes Ziel zu erreichen. Wie er das fertig bringt, ist seine Sache. Hier hat er "freie Hand" – und das ist gut so, denn in dem "Wie" liegt eine ganze Menge an Unannehmlichkeiten und Zumutungen, um die sich die Führungskraft nun nicht mehr kümmern muss. Die Probleme hat erst einmal der Mitarbeiter an den Hacken. Und das Wort "Probleme" existiert im Wortschatz eines versierten Eigenverantwortungsspielers nur in Verbindung mit dem Wort "Lösungen".
Das Ziel ist das Ziel
Nun ist das bestimmte Ziel, das der Mitarbeiter eigenverantwortlich ansteuert, natürlich ziemlich genau das, was sein Vorgesetzter erreichen möchte. Ein anderes Ziel würde der gar nicht zulassen. Dass er sein Ziel zum Ziel des Mitarbeiters macht, ist schon der ganze Trick bei der Sache. Es ist der Weg, den er ihm freistellt. Aber der Weg ist dem Chef auch herzlich egal. Er ahnt nur, dass er beschwerlich ist, also nichts, mit dem man sich gerne abgibt. Nehmen Sie hingegen einen autoritären Chef, der seinen Mitarbeiter an die kurze Leine nimmt und ihm vorschreibt, was er zu tun hat: Weg und Ziel zugleich. Da gibt es eine klare Trennung zwischen dem, was der Chef, und dem, was der Mitarbeiter will. Auch das hat seine Vorteile, denn es erlaubt dem Mitarbeiter, Dinge zu tun, die er von sich aus nie tun würde, die er aber erledigt, weil ein anderer dafür die Verantwortung trägt.
Beim Spiel "Eigenverantwortung" muss der Chef auf solche Sonderwünsche verzichten. Doch dafür hat er etwas viel Wichtigeres erreicht: Er hat den Mitarbeiter darauf verpflichtet, seinen Willen als Ziel zu übernehmen. Erinnern wir uns:
Macht besteht darin, gegenüber anderen seinen Willen durchzusetzen – auch gegen Widerstreben, wie Max Weber sagt. Nun, hier entfällt das Widerstreben. Denn der Mitarbeiter brennt förmlich darauf zu tun, was sein Chef von ihm verlangt.
Gute Mitarbeiter setzen sich ehrgeizige Ziele
Versierte Eigenverantwortungsspieler geben den Mitarbeitern nicht einfach ihre Ziele vor, um dann zu behaupten, dies seien deren eigene Ziele. Das wäre plump, ein halbwegs intelligenter Mitarbeiter würde sich vielleicht auf diese Komödie einlassen, aber nur, um den Schein zu wahren. Nein, das Eigenverantwortungsspiel geht so weit, dass sich die Mitarbeiter ihre Ziele selbst setzen. Anders gesagt, als Mitarbeiter fällt es in Ihre Verantwortung, worauf Sie sich verpflichten. Niemand schreibt Ihnen das vor.
Alle Macht dem Mitarbeiter, könnte man nun annehmen. Aber das ist damit gerade nicht bezweckt. Vielmehr geht es darum, dass der Mitarbeiter für seine Ziele Verantwortung übernimmt. Setzt er sich zu mickrige Ziele, fällt das auf ihn zurück. Sein Chef wird ihn sanft dazu bewegen, sich mehr zuzutrauen, was nichts anderes heißt als: mehr zu leisten. Mit diesem Argument wird er auf besonders offene Ohren stoßen, wenn der Mitarbeiter mit anderen im Wettbewerb steht, deren ehrgeizige Ziele er möglichst zu übertreffen versucht. Dabei sorgt der Vorgesetzte dafür, die Ziele in die richtigen Bahnen zu lenken und aufeinander abzustimmen. Denn wenn sich jeder ohne jede Koordination seine Ziele setzen würde – und seien sie noch so hoch angesetzt –, bräche das Chaos aus.
Ziele und Interessen
Und wo ist jetzt der Haken bei diesem Spiel? Warum ist es gar nicht so lieb und menschenfreundlich? Eigenverantwortung ist doch eine gute Sache, oder nicht? Im Prinzip schon. Solange sie nicht in einem Machtspiel gegen denjenigen eingesetzt wird, der sie übernehmen soll. Dann gibt es nämlich gleich zwei mehr oder weniger große Haken, an denen der "Eigenverantwortungsnehmer" über den Tisch gezogen wird:
Der Mitarbeiter legt seine Ziele in einem Rahmen fest, der es gar nicht erlaubt, eigene Interessen ins Spiel zu bringen. Er kann sich nur entscheiden,mehr oder weniger Leistung in eng begrenzten Feldern zu erbringen – um damit bei seinem Vorgesetzten Punkte zu sammeln.
Die Verantwortung für den Weg wird dem Mitarbeiter nur überlassen, weil ihm so viel abverlangt wird, dass der Vorgesetzte den Weg nicht verantworten kann. Wenn der Mitarbeiter sich kaputt
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