Machtspiele: Die Kunst, sich durchzusetzen (Haufe Sachbuch Wirtschaft) (German Edition)
entschieden wird. Machtlosere Spieler können den Mülleimer indirekt befüllen, indem sie einem Befüllungsberechtigten mitteilen: Es gibt da ein Problem. "Drei in unserer Abteilung haben schon einen Bandscheibenvorfall gehabt", erklärt der Sachbearbeiter. "Wann bekommen wir endlich neue Büromöbel?" – und die Büromöbelkommen in den Mülleimer, den Entscheidungsmülleimer vorerst. Denn Probleme und Krisen schaffen Entscheidungsbedarf.
Lösungen im Mülleimer
Eine wichtige Entdeckung von March und seinen Mitarbeitern bestand darin, dass Entscheidungen vielfach gar nicht die Lösung eines Problems sind, sondern dass zu einer Lösung das passende Problem gesucht wird. Es schwirren Mittel, Verfahren, Ideen und bestimmte Fähigkeiten herum, jemand greift sie auf und begibt sich nun auf die Suche nach einem Problem, das er damit lösen kann. Viele neue Ideen müssen auf diese Art durchgesetzt werden. Videotext, SMS oder das Abonnement von Handyklingeltönen beispielsweise waren keine Lösungen für vorhandene Probleme, sondern die Möglichkeiten einer vorhandenen Technik wurden für etwas Neues genutzt, von dem niemand ahnte, dass es jemand gebrauchen könnte. Erst nachdem die Probleme gefunden waren, die sich damit lösen lassen – etwa beim Videotext aktuelle Sportergebnisse abrufen, während man fernsieht –, zeigte sich, dass wir nicht mehr auf diese Lösungen verzichten möchten. Und dieses Vorgehen lässt sich auch auf alltägliche Entscheidungen übertragen. Sie haben eine brillante Idee, verfügen über irgendeine außergewöhnliche Fähigkeit und suchen das Problem, das sich damit lösen lässt.
Wer darf mitreden?
Gerade in größeren Organisationen sind es keineswegs immer wieder dieselben, die sich über den Entscheidungsmülleimer beugen. Vielmehr ändert sich die Zusammensetzung der Gruppe – denn fast alle Angehörigen der Organisation haben ständig mit Problemen und Lösungen zu tun, von ihren eigentlichen Aufgaben ganz zu schweigen. Daher können sie nicht überall dabei sein, wenn eine Entscheidung fällt, die sie betrifft. Und das können versierte Mülleimerspieler für sich ausnutzen. Sie bringen ein Problem dann zur Entscheidung, wenn die Konstellation günstig ist und der geschätzte Kollege, mit dem noch eine Rechnung offen ist, vielleicht etwas anderes zu tun hat.
Den Mülleimer umfüllen
Üblicherweise stecken so viele Entscheidungsprobleme im Mülleimer, dass sie gar nicht alle abgearbeitet werden. Dann kommt es zum üblichen Umfüllen. Wasnoch nicht abschließend entschieden wurde, schütten die Spieler in den Mülleimer für die nächste Sitzung. Dabei ist häufig noch nicht klar, wer sich dann mit dem "Müllgemisch", wie es March und seine Kollegen nennen, beschäftigen muss. Es liegt auf der Hand, dass durch dieses Schüttverfahren vor allem komplexe, weit reichende Entscheidungen von Mülleimer zu Mülleimer wandern. Stets ist die Organisation an diesem Thema dran, aber nie trifft sie eine Entscheidung. "Davon ist doch auch Herr Wimmer betroffen. Sollten wir ihn nicht noch anhören, ehe wir hier über seinen Kopf hinweg entscheiden?" So vergeht die Zeit, bis sich die Entscheidung nicht mehr aufschieben lässt und in aller Hektik eine Behelfslösung zusammengeflickt wird.
Taktiken für den Mülleimer
Wer verstanden hat, wie das Mülleimerspiel in seiner Organisation abläuft, der hat einen enormen Vorteil. Er kann die Entscheidungen wesentlich wirksamer in seinem Sinne beeinflussen, als wenn er ganz naiv in solche Mülleimersituationen hineingeht oder rein rational argumentiert. Nichts gegen rationale Argumente, nur müssen sie in den Zusammenhang passen. Ansonsten gehen Sie damit unter. Wenn die Voraussetzungen stimmen, kann es durchaus sein, dass "die dümmste Lösung" gewinnt. In Anlehnung an March und Olson möchte ich Ihnen ein paar Hinweise geben, worauf beim Mülleimerspiel zu achten ist:
Der Kontext entscheidet mit: Welche Fragen werden sonst noch entschieden? Wie ist die allgemeine Stimmung? Vermeiden Sie, dass unter ungünstigen Bedingungen über Ihr Problem entschieden wird.
Überlasten Sie das System: Bringen Sie viele Projekte ein, dann ist Ihre Chance größer, dass wenigstens ein paar entschieden (und nicht umgefüllt) werden.
Respektieren Sie die Platzhirsche: Sprechen Sie mit den wichtigsten Teilnehmern, bevor im Mülleimer entschieden wird. Sonst fühlen die sich übergangen und Sie riskieren eine Ablehnung.
Status schlägt Sachargument: Es ist vollkommen
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