Machtspiele: Die Kunst, sich durchzusetzen (Haufe Sachbuch Wirtschaft) (German Edition)
Bemerkung: "Das können Sie aber besser." Daraufhin riss unserem Mann der Geduldsfaden; er spazierte zu Kissinger ins Büro, legte den Bericht auf seinen Schreibtisch und sagte verzweifelt: "Ich weiß nicht, was Sie wollen, Mr. Kissinger! Ich habe den Bereicht jetzt zum dritten Mal umgearbeitet! Ich kann es einfach nicht besser!""Nun", erwiderte Kissinger, "wenn das so ist, dann kann ich ja anfangen, ihn zu lesen."
Es ist eine von den besten Gelegenheiten für eine Führungskraft, ihre Macht zu zeigen: Wenn ein Mitarbeiter das Ergebnis seiner Arbeit vorlegt. Ist er angespannt, ist er ängstlich, tritt er selbstbewusst auf oder sogar herausfordernd? Auf jeden Fall ist er abhängig davon, was sein Vorgesetzter ihm gleich sagen wird. In diesem Zustand der Ungewissheit ist er ziemlich machtlos – und bereits das wissen manche Boss-Spieler zu nutzen oder sagen wir gleich: auszukosten. Bevor sie sich äußern, lassen sie einige Augenblicke verstreichen, Augenblicke des Ausgeliefertseins für den einen, Augenblicke der Machtfülle für den anderen.
Nun muss nicht hinter jeder Beurteilung gleich ein Machtspiel stecken. Aber es kann eben so sein, und zwar unabhängig davon, ob der andere mit Lob (→ Durch Lob verbrennen, Seite 81) oder Häme überschüttet wird oder ob das Urteil ganz und gar moderat ausfällt.
Warum überhaupt niederbügeln?
Worin liegt der Vorteil für Ihren Chef, wenn er das Ergebnis Ihrer Arbeit in Stücke reißt, Sie also niederbügelt? Zunächst einmal gewinnt er Macht über Sie. Was Sie ihm vorlegen, damit kommen Sie nicht durch. Sie müssen nachbessern – so,wie er es will. Er setzt seinen Willen gegen Sie durch, nichts anderes ist Macht. Zugleich führt Ihr Boss Ihnen Ihre eigene Unzulänglichkeit vor Augen. Aus seiner Sicht sind Sie nicht in der Lage, selbstständig ein Ergebnis hinzubekommen, das seinen Ansprüchen genügt. Damit kommt ein zweiter wichtiger Punkt hinzu: Erst durch seine notorische Unzufriedenheit gelingt es ihm, Ihnen wirklich etwas abzufordern, Sie über sich selbst hinauswachsen zu lassen, ja, das Letzte aus Ihnen herauszuholen, was Vorgesetzte ja gerne als ihre Aufgabe ansehen.
Wer zu früh lobt, hat schon verloren. Wer sich von Anfang an anerkennend über Ihre Arbeit äußert, handelt sich im Spiel um die Macht einen Nachteil ein. Er gibt Ihnen zu verstehen, dass Sie seinen Ansprüchen bereits genügen. Vielleicht hat er sogar überhaupt gar keine Ansprüche oder keine Lust, sich mit der Sache näher zu befassen. Und er überlässt die Sache vollständig Ihnen, weil Sie das schon richtig machen werden, wie er glaubt. Wenn sich dahinter nicht das Soft-Power-Spiel "Eigenverantwortung" (→ Seite 198) verbirgt, gerät Ihr Vorgesetzter im Spiel um die Macht ins Hintertreffen. Sie können ihm andrehen, was Sie wollen. Und weil Sie ohnehin überlastet sind, schustern Sie irgendetwas zusammen, das gerade noch die Form wahrt, sodass es Ihr Vorgesetzter abnicken kann. Wenn er außerdem noch als "Verantwortungsnehmer" (vgl. Seite 20) in die Pflicht genommen wird, hat er völlig verspielt. Solche Vorgesetzte mögen liebenswürdige Menschen sein, ernst genommen werden sie nicht.
Beim Niederbügeln-Spiel wird nun das Kontrastprogramm gefahren. Ihnen wird unmissverständlich klar gemacht, dass Sie nicht das Geringste zu bestellen haben – gegenüber Ihrem übermächtigen Chef, der Sie erst heruntermacht und dann, wenn Sie allen Mut verloren haben, wieder aufbaut.
Spielverlauf
Mit dem Niederbügeln allein ist es nämlich nicht getan. Das entmutigt nur und treibt den Mitarbeiter nicht gerade an, sich besonders anzustrengen. Auch weiß ein versierter Boss-Spieler, dass er sein Verhalten variieren muss und nicht nur niederbügeln kann. Sonst ist er leicht auszurechnen und seine Mitarbeiter geben sich keine Mühe mehr, weil sie ja ohnehin niedergebügelt werden. Hin und wieder ist also ein enthusiastisches Lob (→ Das Spiel des Lobens, Seite 50) am Platz.
Doch ist der Boss-Spieler aus den genannten Gründen nicht gerade verschwenderisch mit positiven Urteilen. Was es zu bemängeln gibt, das wird er kritisieren. Fehler und Nachlässigkeiten wird er herausstreichen, allein um den anderen spüren zu lassen, dass ihm nichts entgeht, es also keinen Sinn hat, ihn übers Ohr zu hauen. Doch häufig reicht das für ein veritables Niederbügeln nicht aus. Es wirkt kleinkariert, wenn der Boss einfach nur die paar Mängel benennt, die ihm auffallen. Was zählt, das ist die große Geste. Die
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