Machtspiele: Die Kunst, sich durchzusetzen (Haufe Sachbuch Wirtschaft) (German Edition)
Das käme einer öffentlichen Demütigung gleich. Wenn Sie die vermeiden möchten, dann spielen Sie die Komödie mit. Es wird Ihrem Ansehen nicht schaden. Und manche Zumutungen lassen sich später auf der Hinterbühne noch entschärfen.
Wesentlich ungünstiger ist es, wenn Sie sich von dem Spiel überraschen lassen. Sie bleiben Antworten schuldig, sind mit anderen Aufgaben beschäftigt, wissen nicht genau, was der Boss eigentlich von Ihnen will. So etwas verdirbt ihm seinen Auftritt. Und ein Boss, der dieses Spiel anzettelt, wird Ihnen so ein Versagen ganz sicher übel nehmen und Sie später schlachten (→ Ein Huhn schlachten, Seite 85).
Sind Sie Teil des Publikums, ist es ebenfalls nicht unbedingt ratsam, das Spiel zu durchkreuzen. Dem Sklaven hilft das wenig und der Boss nimmt Ihnen solche Manöver sehr übel, weil Sie seine Eitelkeit verletzen. Wenn Sie ihm das Spiel verderben wollen, dann ignorieren Sie seine Inszenierung ganz einfach. Oder Sie schaffen einen reizvollen Kontrast, indem Sie als Boss mit Ihrem Assistenten ausgesucht höflich und respektvoll umgehen.
Der Knicktest
Sind Sie Berufseinsteiger, wechseln Sie die Abteilung oder treten Sie voller Tatendrang neu in eine Organisation ein, dann sollten Sie mit ihm rechnen: dem Knicktest. Dabei handelt es sich um ein etwas abgefeimtes Boss-Spiel, mit dem Ihr Vorgesetzter zwei Ziele verfolgt: Er möchte herausfinden, wie loyal und belastbar Sie sind. Vor allem aber will er Ihnen nach einem viel versprechenden Start oder einer Erfolgssträhne einen gehörigen Dämpfer verpassen – damit Sie nicht abheben und sich einreden, Sie könnten ihm das Wasser reichen. Ganz im Sinne des französischen Dichters Victor Hugo, der über einen Kollegen urteilte: "Jetzt ist er größenwahnsinnig geworden. Er vergleicht sich mit mir." Um solche Gedanken gar nicht erst aufkommen zu lassen, gibt es den Knicktest.
Mitspieler
In der Hauptsache kommen für den Knicktest ehrgeizige, selbstbewusste und hoch motivierte Mitarbeiter in Frage, die dem Boss allmählich auf die Nerven gehen. Die Idealbesetzung ist der aufdringliche Streber oder der arrogante Schnösel, Absolvent einer Eliteschule oder Trainee mit Doktortitel. Aber auch Mitarbeiter, denen in letzter Zeit außerordentlich viel gelingt, empfehlen sich für einen kleinen Knicktest. Wer jedoch bereits innerlich gekündigt hat und vom Leben hinreichend gebeutelt wurde, muss nicht auch noch vom Boss zu Testzwecken geknickt werden.
Spielverlauf
Beim Knicktest bringt Sie Ihr Vorgesetzter in eine Situation, die Ihnen äußerst unangenehm ist, gezielt und ausgerechnet Sie: Er überträgt Ihnen eine "spannende" Aufgabe, in der sicheren Erwartung, dass Sie daran scheitern werden. Er lässt Sie auf einen Kunden los, mit dem Sie völlig überfordert sind. Er steckt Sie in ein Team mit einem Kollegen, mit dem Sie es kaum in einem Raum zusammen aushalten. Er mutet Ihnen zu, eine Position zu vertreten, die Ihrer eigenen Überzeugung zuwiderläuft. Er lässt Sie Tätigkeiten ausführen, die Sie unterfordern und die völlig überflüssig sind.
Es gibt unzählige Möglichkeiten, seine ambitionierten Mitarbeiter in Schwierigkeiten zu bringen, ihnen einen Knick zu verpassen. Bei manchen genügt eine einzigeverletzende Bemerkung – und der Knick ist da. Genau darum geht es dem Boss. Um den Knick. Den bringt er Ihnen vorsätzlich bei. Aber natürlich so, dass es nicht so aussieht, als wäre das mit Absicht geschehen. Es gibt immer eine Erklärung dafür, warum sich Ihr Boss so verhalten musste. Auf jeden Fall schaut er sich sehr genau an, wie Sie mit der Situation zurechtkommen. Verlieren Sie die Nerven? Fallen Sie ihm in den Rücken? Beschweren Sie sich über ihn? Machen Sie sich unmöglich? Resignieren Sie? Oder schlagen Sie sich wacker? Ziehen Sie sich halbwegs respektabel aus der Affäre?
Um solche Fragen geht es. Um eine verdeckte Bewährungsprobe. In schwierigen Situationen, in der Niederlage zeigt sich der wahre Charakter, philosophiert der Boss. Nach einem Knicktest kann er Sie besser einordnen, vor allem Ihre Nehmerqualitäten kommen nun ans Licht. Stecken Sie Niederlagen einfach weg? Oder brauchen Sie Ihre Zeit, bis Sie sich wieder gefangen haben? Womöglich erfährt Ihr Chef auch, wie ernst er Sie als Konkurrenten nehmen muss. Daher muss es gar nicht so ungünstig sein, wenn Sie erkennen lassen, dass Ihnen Ihre Niederlage nahe geht. Vielleicht beruhigt das Ihren Chef und Ihr Verhältnis entspannt sich.
Und dann hat der
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